Na also. Dieses mal hab ich es geschafft, ich sitze da, wo ich an diesem Freitag Abend sitzen sollte und bin sehr zufrieden.
Ich befinde mich im Schlafzimmer, das ich heute morgen extra für jetzt beheizt hab, links von mir ist das kleine Radio, rechts von mir eine Kanne Tee und ein Lichtlein brennt romantisch vor sich hin.
Es ist Freitag Abend – Zeit für die Blognacht!
Vorhin hab ich mir Gedanken gemacht, dass dies vielleicht sogar die letzte Blognacht an meinem Senioren-Pc sein könnte. Dieser Pc ist so alt, der staubt innen sowie außen ein, hat ein Betriebssystem Marke Dinosaurier und keinerlei Internetverbindung mehr. Ich nutze ihn als Schreibmaschine. 18 Jahre ist er alt und ganzschön zickig!
Meine liebe Familie konnte das nicht mehr mit ansehen und so wurde mir zum Geburtstag ein neuer Laptop versprochen! Bald gehen wir los und gucken mal!
Das war jetzt eine ziemlich überflüssige Einleitung für die Blognacht, aber ich wollte es mal erwähnt haben.
Heute sind wir auch eine "Dinosaurier-Gruppe", Anna freut sich über lauter Stammgäste in der Blognacht. Ich finds schön, dass sich da die selben Leute immer wieder mal blicken lassen! So wie ich. Ich sitze hier. Los geht's!
Der Impuls für diese Schreibnacht heißt: Falsch abgebogen.
Im Prinzip könnte ich da die ganze Nacht lang schreiben. So viele Möglichkeiten zur Interpretation! Nicht nur, dass ich als Autofahrerin wirklich gut und entspannt unterwegs bin, mein Fahrstil ist dermaßen entspannt und auch kreativ, dass ich immer neue Wege finde, um ans Ziel zu kommen! Kurz gesagt, ich fahr oft einen echten Stiefel zusammen! Mein Orientierungssinn ist ungefähr so stark ausgeprägt wie mein Sinn für Finanzen, Steuern und Technik. Gänzlich nicht vorhanden nämlich!
Stell mich in die stark verwinkelte Siedlung der Schwiegereltern, verbinde mir die Augen und dreh mich im Kreis – ich werde tagelang durch die Straßen irren!
Und im Auto bin ich auch immer wieder mal überrascht, wo und vor allem wie ich da jetzt wieder gelandet bin!
Kurze Geschichte.
Als ich mich auf den Heimweg von einer Feier auf der Landstraße wiederfand, hat mein Navi spontan beschlossen, zu verstummen. Kaputt. Ich hatte noch ein, zwei Stunden Fahrt vor mir und war vorher noch nie im Leben in dieser Gegend gewesen. Es war Nacht und ich dachte mir, tu so, als wäre es 10 Jahre früher – halte dich an die Beschilderung. Heim kommste immer! Fertig gedacht und mit lautem Radio kam eine Nebelwand auf mich zu. Ich war weit und breit das einzige Auto und wirklich völlig planlos. Und ohne Sicht.
Auf die Fahrbahnbegrenzung starrend schlich ich durch den Nebel die Straße entlang, meinte ein Schild zu erkennen und bog ab. Das war keine so gute Idee, der Nebel verzog sich zwar, aber ich stand mitten in einem Industriegebiet im Nirgendwo in Baden Württemberg. Alles dunkel, alles leer, keine Chance, die Landstraße wieder zu finden. Radio aus, ich muss denken. Mein Handy konnte mir auch nicht helfen, da war noch keine Internetverbindung und ich musste improvisieren. Ich improvisierte mich viele Straßen entlang, durch finstere Dörfer, in noch finsterere Wälder, an einer Scheune vorbei, da ein Acker, da eine Weide mit schlafenden Kühen.
Ich könnte mich jetzt a) an den Wegrand stellen und schlafen bis es hell wird, b) leise vor mich hin wimmern oder c) panisch immer und immer wieder abbiegen, bis ich wieder in der Zivilisation mit Straßenschildern bin. Ich entschied mich für c, zusammen mit dem kritischen Blick auf die Tankanzeige. Und schon nach 30 Min umherirren sah ich endlich ein Schild: hier entlang zur Autobahn! Halleluja! Radio wieder an und ab nach Hause!
Und sowas ist mir nicht zum ersten mal passiert .. aber sonst bin ich eine echt gute Fahrerin, find ich!
So. Und jetzt hab ich mich total verrannt! Das musste erstmal fertigbringen – schreibste einen Artikel übers falsche Abbiegen und während des Schreibens biegen deine Gedanken auch erstmal schön falsch ab! Ich wollte gar nicht übers tatsächliche abbiegen schreiben! Ich wollte eigentlich eher so über falsche Lebenswege nachdenken.
Das ist mir schon so oft durch den Kopf gegangen! Alle möglichen Entscheidungen, ob die richtig waren? Was wär gewesen, hätt ich mich anders entschieden?
Da fällt mir schon einiges ein. Aber das Thema heißt ja, FALSCH abgebogen! Also sollte ich mal überlegen, was definitiv eine falsche Entscheidung war.
Und was kommt mir als allererstes in den Sinn? Die Kerle, klar. Da waren schon ein paar Exemplare dabei, auf die ich wirklich gern verzichtet hätte können. Nee. Hätte verzichtet .. haben .. gekonnt .. also die hätt's nicht gebraucht, wahrlich nicht!
Ich kann auch nicht mehr wirklich nachvollziehen, was mich dazu bewegt hat, den einen oder auch den anderen gut zu finden. Hat mich viel Zeit gekostet. Was man da alles sinnvolles hätte machen können!
Aber nicht nur dumme Männer pflastern ihren Weg, auch Fehlentscheidungen mit dramatischen Folgen. Zum Beispiel die Idee, in zweiter Reihe vor der Videothek zu parken und über die Kette zu steigen! Zack, Fuß gebrochen, ein Leben lang Spaß dran. Hätte ich ordnungsgemäß geparkt, wär ich auf dem Gehsteig entlang ganz locker in die Videothek gelangt und mein ganzes Leben wär anders verlaufen!
Das musste dir mal deutlich machen!
Oder meine schulische Laufbahn, die in einer Art geistiger Umnachtung aus Teenagervernebeltem Hirn in völlig falsche Richtungen lief! Deutlicher gesagt, es war mir damals nicht bewusst, wie wichtig der Schulabschluss ist. Ich wollte lieber feiern und tanzen gehen. Hauptsache der Nagellack leuchtet und ich hab Musik auf dem Ohr. Böser Fehler! Aber da kann die Mama noch so geduldig auf die Sabine einreden, es nützt nichts! Durch den nicht existenten Ehrgeiz wurde der Abschluss der Schule auch etwas weniger glamourös und die Möglichkeiten für den Beruf deutlich eingegrenzt.
Hätt ich mal ein bisschen Ahnung gehabt, und vor allem etwas Interesse, was hätte nicht alles aus mir werden können! Da darf ich gar nicht dran denken.
Jetzt bin ich eine unterbezahlte Arzthelferin. Aber immerhin mit Hingabe und viel Herzblut!
Der Impuls heute Abend heißt ja falsch abgebogen. Und ich glaube erkannt zu haben, wo ich irgendwann in meinem Leben tatsächlich mal falsch abgebogen sein muss. Wahrscheinlich ohne es zu merken.
Ich hab gestern Nacht eine Passage in meinem Buch "Elternabend" von Sebastian Fitzek gelesen, die den Nagel voll auf den Kopf getroffen hat!
Ein kleiner Auszug:
Überhaupt trage ich sehr oft Masken. Nicht nur eine, sondern täglich wechselnde, je nachdem, wohin ich gehe und mit wem ich kommuniziere. Spreche ich mit tätowierten Herta-Ultras in der U-Bahn, verfalle ich in Berliner Straßenjargon. Treffe ich auf Juraprofessoren, benutze ich lateinische Redewendungen [...] Ich will gemocht werden und daher spiegle ich das Verhalten meiner Gesprächspartner und formuliere meine Gedanken so, dass sie niemanden vor den Kopf, sondern überall auf Zustimmung stoßen.[...] Wie gerne würde ich mal in einen Schwarz-Weiß-Modus schalten: einfach mal die Meinung raushauen, unreflektiert, ohne diese ewige Rücksicht auf die Gefühle von Menschen, die mir im Grunde doch egal sein konnten.
Ich erkenn mich da 1:1 wieder. (bis auf den Herta-Ultra, und berlinern kann ich auch nicht so gut. Ebenso wenig lateinische Redewendungen) Aber das Prinzip, das trifft mitten ins Schwarze! Ich kann nicht anecken, knallhart meine Sicht der Dinge sagen! Irgendwann in meinem Leben muss da mal eine falsche Richtung eingeschlagen worden sein. Ich kann ja nicht mehr nachvollziehen, wann es begonnen hat, aber dieses Harmoniebedürfnis hat mich fest im Klammergriff! Ich hab auch keine Ahnung, warum das so ist oder wo es herkommt. Irgendwann wurde der Grundstein gelegt, die Angst vor Ablehnung mit ganz viel Unsicherheit obendrauf,
Da bin ich mir sicher, richtig übel falsch abgebogen zu sein! Ich tippe mal auf die Pubertät, wo man sowieso nur aus Unsicherheit besteht und völlig planlos durch die Gegend tappst.
Meine Kinder haben den Bogen besser raus als ich. Trotz Feingefühl zu seiner Meinung zu stehen, das ist bemerkenswert! Die haben das drauf, woher auch immer die das können! Bin stolz!
Also dass da kein falscher Eindruck entsteht, ich bin jetzt nicht das verschreckte Mäuschen, ich kann auch beißen, wenn's sein muss!
Aber ich mags nicht.
Jetzt schau dir mal an, was das wieder für ein seltsamer Blogartikel geworden ist!
"So Sabine, jetzt musst du dich entscheiden: Ist es die nächtliche Irrfahrt durchs Kuhkaff über Wald und Wiese mit der Option auf eine klamme Nacht im Auto am Ackerrand – oder Kandidat 2, der die Erkenntnis mit sich bringt, dass auf die Mama zu hören vielleicht doch Sinn machen könnte, auch wenn man grade 15 Jahre alt ist und von Natur aus alles besser weiß – oder überzeugt dich Kanditat 3, der Ausschnitt aus dem Buch, der dir ein Licht aufgehen lässt und voll in die Tiefenpsyche geht. Wer soll nun dein Herzblatt sein?"
Weniger Herzblatt als sinnvoller Blogbeitrag. And the winner is der Ausschnitt aus dem Buch. Das war ein richtiges AHA-Erlebnis beim Lesen! Ich bin ein Gesprächs Chamäleon.
Und nun? Problem erkannt und nix passiert?
Fast. Ändern kann ich es zwar nicht, dazu bin ich zu alt und zu sehr liebevoller Heuchler – aber ich kann es mir bewusst machen und ab und zu kleine Schritte in die andere Richtung wagen. In der Arbeit bei den Patienten kommt mir es mir zugute, das hemmungslose Anpassen. Aber für mich selber könnte ich mal ein bisschen bissig sein trainieren!
Und jetzt trau ich mich auch knallhart, diesen Blogbeitrag zu beenden. Er ist zwar ganz schön chaotisch geworden und ich bin mir noch immer nicht ganz sicher, was ich eigentlich zum Ausdruck bringen wollte, aber zumindest konnte ich 2 Stunden durchschreiben ohne Hänger und ohne Flaute. Blognachtzuversicht wieder hergestellt!
Danke fürs Lesen, war bissle anstrengend, gell?
Danke, Anna Koschinski, für den schönen Abend!