Wenn ich mich langsam auf meinem Laborstuhl drehe, kann ich Grillhändel spielen!
32,3 Grad in diesem Winz-Kabuff, der Ventilator verleiht dem ganzen Elend einen Hauch von Umluft-Backofen. Ich freu mich voll, endlich wieder arbeiten zu dürfen!
Yey.
Es beginnt die schlimmste Zeit des Jahres, die Arbeitszeit zwischen Pfingsten und Sommerurlaub, das bedeutet 10 Wochen Laborgrill, 10 Wochen Umluftbackofen, 10 Wochen ackern bis zur abendlichen Erschöpfung. Hurra.
Heute haben wir den bislang fiesesten Hitzetag, heute sind 38 Grad gemeldet. Ich bin schlapp, aufgeweicht und überlege, Blasen zu werfen. Da hab ich mir gedacht, fahr ich doch für den Nachmittag in den Schulungsraum und hör mir stundenlang intelligente Theorien über den Umgang mit Patienten an. Hoffentlich ohne Klimaanlage, das wär ja langweilig.
Gefahren wird mit dem Ranger, es herrscht absolute Parkplatznot und mit dem Roller kommste überall hin. Ein Gefühl, wie gegen einen überdimensionalen Heißluftfön aus der Wüste neben der Hölle zu fahren.
Sabine in der Heißluftfritteuse. Vielleicht gibt's Kruste!
Kollegin Pinky lässt mich eine halbe Stunde früher Feierabend machen, das find ich äußerst nett von ihr. So hab ich etwas mehr zeitlichen Spielraum. Heimsausen, umziehen, Helm auf, los! Weil meine Arme immer röter werden und tatsächlich schon kleine Bläschen gebildet haben, zieh ich kühlende Armschoner an. Sowas gibts! Sieht aus wie ein Strumpf, ist aber angenehm und kühlt ein bisschen. Praktisch beim Rollerfahren! Wie es aussieht, ist mir piepegal.
So. Jetzt ist Abend. Es hat nur noch 31 Grad, was ich nach diesem Tag schon als erträglich empfinde. Verrückte Welt.
Es ist vollbracht! Der letzte Akt des Vierteilers Diabetesfritzen-Schulung ging zu Ende.
Ich hab es hinter mir! Ich erwarte Trommeln, Konfetti und Applaus!
Tatsächlich war heute trotz Hitze der angenehmste Teil dieser Schulung. Der Raum liegt im Souterrain, also relativ erträgliche Temperaturen. Es gab einen leistungsstarken Ventilator und Mitmach-Belohnungseis vom Redner. Außerdem ließ die Firma Pizza springen, das fand ich angebracht. Fein!
Das Hauptthema war "Der Umgang mit dem schwierigen Patient". Allerdings könnte ich jetzt beim besten Willen nicht mehr genau wiederholen, was wir gelernt haben.
Das liegt an mehreren Faktoren:
- Eis und Pizza haben abgelenkt
- zwei Streber im Raum erzählten unablässig, was ihnen schonmal in der Praxis passiert ist
- es hat zweieinhalb Stunden gedauert
- vor mir, neben mir und hinter mir wurde ununterbrochen getuschelt
- mein Handy lag da
Aber ich bin durchaus tröstlich, ich kann das wegstecken. Fakt ist, als professionelle Arzthelferin soll dich nichts, aber auch garnichts aus der Ruhe bringen, Stänkerer sollen mit einem Lächeln (!) und Gegenfragen ausgebremst werden und Diskussionen sollen auf Augenhöhe UND mit bodenlosem Verständnis für den Patienten im Keim erstickt werden.
Jetzt mach mal.
Das sind alles nette Tipps, leider nur theoretisch anwendbar. Das wusste ich aber vorher. Besonders hat mir das mit dem Lächeln gefallen. Nichts ist einfacher, als einen 2 Meter großen, wütenden 50jährigen anzulächeln, der sich vor dir aufbaut und dich gerade als unfähiges Miststück ohne Ahnung von irgendwas und Tendenzen zur faulen Sau bezeichnet.
Laut Redner könnte der arme, verwirrte Mensch auch einfach nur Hunger haben. Passend dazu wurde uns der Werbespot "Du bist nicht du, wenn du Hunger hast" gezeigt. Ja manchmal ist es relativ einfach und so schnell kann einem ein Licht aufgehen! Wenn das nächste mal ein Patient brüllt "kannst du überhaupt irgendwas? Ich warte seit 2 Stunden (was in Wahrheit 15 Minuten ohne Termin sind) und du hockst bloß blöd da, säufst deinen Kaffee und schafft deine Arbeit nicht! Wenn du zu dumm dafür bist, dann geh halt zum Aldi oder bleib gleich daheim! "
Dann lächle ich und frage "Haben Sie vielleicht Hunger?" Und halte ihm ein Snickers hin.
Wär einen Versuch wert. Schon allein wegen der Verwirrung.
Aber in Wahrheit bin ich sehr dankbar für diese Schulung. Doch, ja, das war sehr informativ und die Verwaltung hat sich echt Mühe gegeben. Muss man sagen.
Da ich aber in der Arbeit so gar keinen Kontakt zu Diabetesfragen habe, war das ganze Theater leider ziemlich umsonst bei mir. Aber, ich weiß zumindest, wie ich den nächsten Wüterich in Grund und Boden lächeln kann! Ist doch auch schön.
Und es gibt Überstunden. Und ein Eis.
Ich will nicht undankbar erscheinen, obwohl die Schulungs-Beiträge ziemlich gemein und leicht bösartig geschrieben wurden. Das war wirklich informativ und aufwändig gestaltet, mit viel Mühe und Liebe. Das ist mir bewusst. Ich war nur leider der falsche Kandidat. Deswegen auch unfreiwillig. Danke für den Aufwand! Ja ich hab schon was mitgenommen!