Mausloch

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Samstag, 25. März 2023

Retro Gschicht'n: die Mama

Neulich lief spät abends im TV eine Reihe über die 70er. Und obwohl ich solche Dokus schon oft angeschaut hab, war ich ganz fasziniert dabei. Ich hab meine Kindheit in den 70ern verbracht, und es war eine äußerst glückliche Kindheit! Mama sei Dank, sie hat wirklich alles gegeben, um uns Kindern das Leben so schön wie möglich zu machen. Und das war wirklich eine Meisterleistung!



Alleinerziehend mit Mann, Schwiegermutter, Hund & Job hat sie es geschafft, ein sehr liebevolles Zuhause zu zaubern! Und das ohne Kohle! Das hab ich als Kind natürlich nicht bewusst mitgekriegt. Es war ganz normal, dass wir zu Fuß in die Stadt gelaufen sind. Oder 1x im Jahr ins Kino - als highlight zu Weihnachten. Essen gehen, ebenfalls einmal im Jahr. Zum Hochzeitstag der Eltern in die Waldschänke. Oder zum Wiener Wald. Faschingskostüme wurden selbstgenäht und als Weihnachtsgeschenke getarnt.


hat die besten Geburtstagsfeiern auf die Beine gestellt

Lampenschirme wurden neu umhäkelt und verschenkt


Und immer der leidige Spruch, wenn ich unterwegs ein Eis oder irgendwas haben wollte: "Daheim gibts a Brot".
Wie ich diesen Satz gehasst hab. Ist mir aber nie in den Sinn gekommen, dass Mutti das nicht aus purer Bosheit sagt, sondern weil einfach das Geld nicht gereicht hat.
Meine Mama hat vor uns Kindern nie rumgejammert, was ich bemerkenswert finde! Ich jammer nämlich echt gern rum und drück den Leuten in meiner Umgebung alle möglichen Sorgen aufs Auge, ob sie wollen oder nicht. Mir fehlt wahrscheinlich die nötige Größe und Persönlichkeit, sowas nicht zu tun und stattdessen mit wehendem Cape über den Dingen zu stehen. So wie meine Mama. Ich weiß bis heute nicht, wie sie das geschafft hat!

Mit unfassbar viel Disziplin. So wie der Haushaltsplan, der geschaffen wurde und ohne wenn & aber einzuhalten ist! Mittwochs wird gebügelt! Ich verbinde heute noch den Mittwoch mit einer bügelnden Mama, die dabei "Wumme" im Radio hört. Freitags gibts Pudding zum Mittagessen. Weil Pudding billig ist und den Kindern schmeckt. Ich bezweifle, dass meine Mama besonders scharf auf Pudding war. 
Am Samstag wird Vormittags gewaschen und geputzt, der Papa geht einkaufen. Und dann wird gebadet, einer nach dem anderen. Der Samstag Abend ist geprägt von einer Mama im lila Samthausmantel, die sich am Tisch die Haare eindreht und dabei "Das Haus am Eaton Place" oder "Die Muppetshow" läuft. Das hat sich in mein Unterbewusstsein eingebrannt. Und hat ein Gefühl von wohliger Sicherheit geschaffen. Alles geht seinen Gang, alles läuft wie gewohnt, wie es laufen soll. 
Sonntags geht Mama mit uns in die Kirche, und zwar sehr konsequent. Ich hab eigentlich nie aufgepasst und mir meist die Bilder in meiner Kinderbibel oder die Leute angeschaut. Oder den ewigen Spuckefaden, der sich beim Sprechen im Mund des Pfarrers gebildet hat. Was einen als Kind so fasziniert! 
Als die Kirche endlich aus war, laufen wir voller Hunger nach Hause. Papa hat gekocht. Jede Woche darf sich einer ein Sonntagsessen wünschen, mit der Zeit wollte jeder immer das Gleiche: Mama einen Hackbraten, Waldfeger ein Grillhändl (a Gickerl!), Papa einen Schweinebraten und ich Gulasch mit Nudeln.
Und nach dem Essen darf Mama ein Nickerchen machen. Aber erst liest sie mir was vor, weil ich vorher keine Ruhe gebe. Und dann darf ich Kinderstunde gucken! Black Beauty oder Sesamstraße oder Pan Tau. 
Später hat Mama was mit uns Kindern unternommen, oft mit dem Fahrrad um den See oder mit dem Hund durch den Park. 
Meine Mama seh ich im Geiste immer mit einem knielangen Rock, Feinstrumpfhose und einem gestrickten Oberteil. Und einer blauen Umhängetasche. Sie war immer ordentlich unterwegs, nie nachlässig oder schlampig gekleidet! Sie ist fesch! Hat immer drauf geachtet, was wir auch was vernünftiges anhaben und bestrickt uns mit schönen Sachen. Sie strickt und näht und stopft und flickt. 
Das kann man sich heute garnicht mehr vorstellen, heute wird direkt ein Ersatz gekauft, wenn was kaputt ist. Aber ich hab Mama vor Augen, wie sie Donnerstag Abend im Sessel sitzt und bei "Der große Preis" die Flickwäsche auf dem Schoß hat. Ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, meine Mama jemals tatenlos oder gar faul irgenwo sitzen gesehen zu haben. Wenn ich mir das heute so bewusst mache, schäm ich mich in Grund und Boden. Ich bin niemals so fleißig wie meine Mom!
Ich ahne, dass sie es genossen hat, unter der Föhnhaube mal ein paar Minuten lang ihre Ruhe gehabt zu haben! 
Und mit den Nachbarn hatte sie wirklich versucht, klar zu kommen. Aber das war von Anfang an eher schwierig. Meine Mama kommt aus Niederbayern und landete 1974 mitten in Franken - das passt nicht zusammen. Was muss das für ein Kulturschock gewesen sein! Und der Franke an sich ist jedem neuen Nachbarn gegenüber erstmal ablehnend und grundsätzlich grantig und biestig. Das gilt vor allem für Frauen ü40 in Kittelschürzen. Aber Mama hat sich echt Mühe gegeben, dass wir integriert werden. Zum Einzug hat sie ein Theaterstück mit den Nachbarskindern auf die Beine gestellt, damit Waldfeger und ich Freunde finden. Das war den fränkischen Müttern dermaßen suspekt, dass es knallhart abgelehnt wurde. Nur die Kinder fandens toll, das war die Hauptsache.

Schneewittchen und der seltsame Zwerg


Was meine Mama gern gemacht hat, war Klavier spielen und singen. Im Hans-Sachs-Chor hat sie sich austoben können, zumindest eine Zeitlang. Dann grätschte Vati dazwischen, wie so oft. Er hat ihr wirklich viel vermiest, aber sie hat nie aufgegeben. Sie ist stark wie Superwoman und hat eine Engelsgeduld!
Ich wünschte, sie hätte mehr Rückhalt gehabt. Irgendeine Form von Rückendeckung und Unterstützung. In allen Entscheidungen war sie auf sich gestellt, wobei ihre Erziehung mit den 80ern, in denen ich rebellisch war, leicht kollidiert ist. Ausbaden musste es meine Mama. Ein Ehemann, der sie im Stich lässt, eine Schwiegermutter, die ihr das Leben schwer macht, ein Kind, das pubertiert, fränkische Nachbarn, die sich über den niederbayrischen Akzent lustig machen. Alles anders, als sie es sich vorgestellt hat. Und dann strafft sie die Schultern und macht das Beste draus!

Zu Anfang des Eintrags wollte ich eigentlich bisschen über die 70er schreiben, aber es wurde eine Laudatio über meine Mama wie es scheint! Das überrascht mich selber, aber ich finds gut! Meine Mama hat alle Lobgesänge der Welt verdient!





2 Kommentare:

Cute Rat