Mausloch

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Mittwoch, 22. März 2023

Hottie

 Manche Dinge passieren viel zu schnell und viel zu plötzlich. Ich hab das Gefühl, von einem Schlamassel in den nächsten zu stolpern, zumindest was die Arbeit betrifft. Nicht nur, dass uns ständig irgendwelche Stolpersteine in den Weg gelegt werden, Arbeitsabläufe verschwierigt und gewohnte, etablierte Methoden aus Schwachsinnsgründen umgeworfen werden - der Wechsel der Kollegen macht mir sehr zu schaffen. 

Wir waren ein Team. Ein gutes sogar. Wir haben uns super verstanden, ergänzt und unterstützt. Das Team hat mich dazu bewegt, täglich in die Arbeit zu gehen, denn von Seiten der Verwaltung laufen wir unter "unwürdiges Arbeitervolk". Das lassen sie uns spüren. Wir werden in verlässlicher Regelmäßigkeit niedergestampft und auf keinen Fall ernst genommen. 

Da ist es wichtig, sich gegenseitig zu unterstützen. Diesen Druck hält man aber nicht lange aus, vor allem, wenn man eine zarte Seele ist. Oder jung und voller Euphorie auf ein erfülltes Arbeitsleben. 

Zuerst ging Kollegin Siebenschön. Sie war eine der seltenen Kolleginnen, die irgendwie in allen Bereichen fit war, ohne zu motzen einfach ihre Arbeit tut und es dabei schafft, ständig zu lächeln und gut gelaunt zu sein. Ein Phänomen, wie ich finde!

Die nächste war Kollegin Maus. Sie ist eine starke Persönlichkeit und hatte nicht vor, sich kleinkriegen zu lassen. Ein verrückter Praxismanager gab den Anlass, die Reißleine zu ziehen und dahin zu gehen, wo man friedlich vor sich hin arbeiten kann.

Dann folgte Kollegin Exi. Der Praxisalltag hat sie niedergemacht, im Laufe der Zeit an der Anmeldung, nach endlosen Diskussionen und Verteidigungsversuchen gegen wütende Patienten hat sie einen Menschenhass entwickelt, der sie an einen Bürojob anderswo getrieben hat. Exi wollte nicht mehr kuschen!

Letzen Winter hat sich Kollegin Missi entschlossen, uns zu verlassen. Sie kam mit 16 als Lehrling, voller Power und Neugier zu uns. Es hat ihr Spaß gemacht, sie ist flink, witzig und so lieb, wie man nur lieb sein kann. Eine ganz Süße, hat Klar-Schiff gemacht wie ein Heinzelmännchen! Und am Ende ihrer Ausbildung hat auch sie die ewigen Dämpfer und Prügel der Verwaltung nicht mehr ertragen. Sie ging und strebt nach Höherem.

Und jetzt, der Super-GAU, hat Kollegin Hottie gekündigt. Das ist ein richtiger Schlag in die Magengrube! Kollegin Hottie ist ungefähr so alt wie ich und hatte diese eine Stelle seit Anbeginn, so loyal muss man erstmal sein! Hottie ist sowas wie ein Teamkleber, sie hält alle zusammen. Zumindest alle, die noch da sind. Sie hat eine Menschlichkeit inne, die selten ist. Hottie kümmert sich um ihre Kolleginnen, macht sich Sorgen und Gedanken, schickt uns konsequent heim, wenn es uns nicht gut geht, nimmt Arbeit ab, wenn es ihrer Meinung nach zuviel für einen ist und hat dabei immer einen Spruch drauf. Sie ist wie eine verbündete große Schwester!  Und vom alten Schlag - wenn einem der Job nicht egal ist und man die Arbeit mit Herzblut macht anstelle bloß nach Vorschrift.

Alle mögen Hottie. Und - Überraschung! - das Management hat auch sie klein gekriegt. Wenn die Gesundheit und die Seele leidet, macht man sich nur selber kaputt. Ist es das wert? Sie hat bestimmt lange überlegt, ob sie das Team verlassen soll. 
Aber nachdem sie immer weniger geworden ist, hat der gesunde Menschenverstand das Kommando übernommen. Wenn du von oben keine Unterstützung kriegst und deine Worte kein Gehör finden, dann gibt es eben nur diesen einen Ausweg: gehen.

Wir müssen auf uns selber aufpassen. Für den Job zu Grunde zu gehen ist keine Option. Es ist so verständlich, so nachvollziehbar. Aber für uns ein herber Schlag voll auf die 12! 

Vor einer Woche hat sie mir eröffnet, dass sie gekündigt hat. Gestern haben wir sie verabschiedet. Mit ein paar kleinen Geschenken. Die ihrer nicht wert sind. Stumm stehe ich da im Kreis der übrigen Kollegen und bin mit der Situation überfordert. 

Auch wenn einem bewusst ist, dass sie gekündigt hat und gehen wird, wenn es dann soweit ist, kann man es nicht so recht verarbeiten.

Und jetzt?

Wir sind jetzt nur noch zwei. Zwei Alte. Kollegin Pinky und ich. Wir haben zwar andere Kollegen zugeteilt bekommen, aber das ist nicht das selbe. Sie arbeiten mit uns, aber halt so, dass die Arbeit erledigt wird. Ein Nutz-Team. Es fehlt diese Verbundenheit. Es fehlt das "na zum Glück hab ich ein tolles Team" denken. 
Mein Fels in der Brandung ist Pinky. Und ich ahne, dass dieser Fels auch irgendwann weggehen wird. Oder eher, dass der Fels abgetragen wird. Es ist ihr nicht zu verdenken, aber dann schwimme ich allein. 
Dann wird es ein Kampf. Durchbeissen bis zur Rente. 
Klingt nach viel Spaß.

Ich mag meine Arbeit. Aber es wird nicht mehr das selbe sein. Meine Mädels fehlen mir.
Und ohne Hottie wird es ein bisschen farbloser. Und kälter. Und doofer.







2 Kommentare:

  1. 🤗 Tja, so sind manche Arbeitgeber. Pass gut auf Dich auf. Und suche Dir was Neues. Mit einem angenehmen und menschlichem Umfeld.

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    1. Guter Tipp! Ein menschliches Umfeld ist Gold wert

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