Letzte nacht konnte ich nicht schlafen. Dann kam das große Grübeln mit anschließendem Herumspielen am Handy. Sonntag früh um 5 kommen einem die seltsamsten Ideen. Und so hab ich überlegt, warum ich eigentilch gleich zum Handy greife anstatt zu meinem Buch. (Das wirklich interessant ist!)
Ich bin ständig online. Warum will ich das eigentlich? Es könnte schon eine Sucht sein, aber wie fing das alles an?
The magic world of the internet
In den frühen 80ern hatte Karstadt eine Ausstellung der neuesten und modernsten Computer, unten im Tiefgeschoss. Ich kam zufällig vorbei und wollte genauso wichtig wirken wie all die Jungs, die da rumstanden und souverän tippten. Man sollte denken, ich kenn mich aus, und so hackte ich genauso wild auf die Tasten ein, ohne irgend einen Sinn oder Plan. Auch das wurde schnell langweilig, hab ich doch überhaupt nichts verstanden von all den Wörtern auf dem Bildschirm.
In der Schule kam ein neues Fach dazu: Informatik. Unten im Keller zwischen Kunst- und Lagerraum wurden wir in die Geheimnisse des PC's eingeweiht. Der Unterricht wurde von einer Dame gehalten, die wohl kurz vor der Pensionierung stand. Ob sie selber wusste, was sie da runter rattert, war zu bezweifeln. Wie ein Roboter vermittelt sie uns das Lehrbuch "Informatik unterrichten leicht gemacht", betäubte uns mit ihrer Parfumwolke und verwirrte mit Fachausdrücken. Vom Stoff hab ich wenig mitgekriegt. Erinnern kann ich mich nur noch an die Betonfrisur der Lehrerin.
derdigisaurier.de |
Ein Freund schleppte einen Commodore 64 an mit 2 Disketten: Glücksrad und Super Frog. Das spielten wir nächtelang, es war eine echte Herausforderung! Der verzauberte Forsch muss seine ebenfalls verzauberte Freundin befreien und durch mehrere Welten laufen. Die Melodien hab ich heute noch im Kopf!
Später dann, als ich Tochter vom Kindergarten abgeholt hab, erzählte eine der Mütter lautstark, sie hätte all die phantastischen Kinderklamotten aus ebay, total billig und bequem. Und alle staunten sie an. Ich auch, weil ich keine Ahnung hatte, was ebay ist. All die Sachen, die wir fürs Kind gebraucht gekauft hatten, wurden in der "Alles" gefunden, der Zeitung.
Und dann war es soweit. Tochter bekam zur Kommunion einen eigenen Computer geschenkt. Ein Packard Bell mit Windows XP. Die Tochter war ja von Anfang an Computer-begeistert! Überall, wo es Geräte gab, war sie dran. Im Kommunikations Museum, in der Bücherei, im Urlaub. Und jetzt auch zu Hause im Schlafzimmer.
Ich hab mich rangetraut und außer dem Kalender nichts gefunden. Und die Beispielbilder. Es hat lange gedauert, bis ich mich ein bisschen zurecht gefunden hab. Wahrscheinlich stell ich mich einfach richtig blöd an. Da ist kein Naturtalent verborgen, das muss alles anerzogen werden. Bei den Kindern ist das so anders! Die setzen sich voller Neugier vor die Kiste und probieren so lange rum, bis sie irgendwas erreicht haben. Dabei merken sie sich irgendwie alles und verstehen die Zusammenhänge viel besser. Während die Mutti ziemlich ratlos vor dem Bildschirm sitzt.
Wir bekamen einen Modem-Anschluss. Da war das Telefon dann eben blockiert. Mit der Zeit wurde das Internet immer interessanter. Ich entdeckte die sozialen Medien und landete auf townbuddy/ nachbarn.de. Das war eine völlig neue Welt, die sich mir da aufgetan hat! Ich lernte Leute kennen, ohne sie je gesehen zu haben! Wahnsinn! Und das hat so Spaß gemacht! Bildchen in Gästebücher verschicken, wildfremde Menschene einfach anschreiben und in der Chatfunktion quatschen bis spät in die Nacht. Super! Manchmal hab ich geschrieben, bis die Sonne wieder aufging und dann kam das schlechte Gewissen. Aber es war alles so aufregend und neu, ich war ein bisschen im Glückstaumel. Es kam und ging, heute hab ich gar keine Lust mehr auf lange und tiefgründige Gespräche im Chat. Ich möchte lieber abschalten und nichts denken.
2-blog.net |
Andreas hab ich auf nachbarn.de kennengelernt, er wurde mein bester Freund. Er wohnte in Rothenburg und wir haben uns oft besucht, war jedesmal lustig und ein bisschen aufregend. Mit der Zeit hat sich ein nachbarn.de-Grüppchen gebildet, dem ein paar Stammtisch-Treffen folgten. Lauter nette Leute, zu manchen hab ich heute noch Kontakt. Als ich Andreas zum ersten Mal getroffen hab, war es wie ein blinddate! Ich war ganz hibbelig, treff ich gleich jemand, von dem ich zwar sehr viel weiß, den ich aber noch nie gesehen hab! Aber als er auf mich zu geschluppt ist mit seinem unverkennbaren Gang hab ich ihn direkt ins Herz geschlossen! Die Chemie hat gestimmt und der Humor auch. War eine schöne Zeit!
Dann wurde nachbarn.de eingestampft und ich bin auf unddu.de gelandet. Eine Plattform, die einem ermöglicht, mehrere Seiten des Profils anzulegen. Klasse! Ein richtiger Spielplatz! Ich hatte eine Seite mit meinen Kinderbildern, eine mit nem Liedtext, eine mit lustigen Bildern, eine mit ner Musicbox von deezer, - dann wurde auch das eingestampft.
Ich hab noch mehrere Seiten gestreift, zum Beispiel goolive, stayfriends, Jappy, yeeva oder frau.de. Dort hab ich Christian kennengelernt. Schwerkrank und super sympatisch. Wir haben uns echt gut verstanden und nächtelang online gequatscht. Leider ist er an seiner Krankheit gestorben und obwohl ich ihn nie getroffen hab, hab ich getrauert. Genauso wie um Andreas. Auch er ist gestorben, vor vielen Jahren schon. Sein Grab besuche ich jedes Jahr.
2011 wurde mein Mausloch gestartet. Anfangs etwas holprig, aber es läuft. Immernoch, haha! Mit der Zeit kenn ich mich auch ganz gut aus. Ich kann Filme, Bilder, gifs oder html Texte einfügen. Ich kann mein layout ändern und meine Beiträge überall teilen: auf twitter, pinterest, linkedin, instagram oder facebook. Bin stolz!
Auf facebook fühl ich mich ganz wohl, da bin ich schon ziemlich lange angemeldet. Altersentsprechend halt. Wahrscheinlich bin ich mittin in der Alterszielgruppe.
Mittlerweile weiß ich auch, was ebay ist und einiges im Kleiderschrank hab ich daher. Und weil es immer wieder was neues zu entdecken gibt häng ich ständig am Handy. Allein pinterest, da kannst du dich tagelang durchklicken und merkst garnicht, wie die Zeit vergeht. Gefährlich!
Den alten Pc von Tochters Geburtstag hab ich immernoch in Betrieb, aber ich nutze ihn nur noch zum Schreiben. Alles andere geht nicht mehr. Sogar der Bildschirm braucht 5 min, bis er anspringt. Er ist eben ein alter Herr, arbeitet tapfer seit 17 Jahren!
Bald werde ich ihn wohl in den Ruhestand schicken und mir einen Ersatz holen. Aber da spar ich noch ein wenig.
Manchmal überlege ich, wie ich meine freie Zeit gestalten würde, wäre da nicht das Internet. Die Kinder sind ja schon groß, da hätte ich genug Ablenkung. Früher hab ich Abends viel gebastelt, Gitarre gespielt oder gelesen. Noch früher war ich abends unterwegs. Immer Filme gucken mag ich auch nicht. Und jetzt – jetzt klick ich mich durchs Netz und bin immer wieder erstaunt, was es nicht alles gibt!
Bei Problemen ruf ich eins der Kinder, die das meist in Windeseile im Griff haben. Meine Kiddies helfen mir, ich helf meiner Mom. Meine Enkel werden uns alle in die Tasche stecken!
Retro ist aber auch Kult. Toller Artikel;)
AntwortenLöschenDanke für deine Geschichte liebe Sabine. Alles Gute für dich nun hier auf LinkedIn. LG Claudia
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