Mausloch

Das Mausloch ist mein öffentliches Tagebuch.
Mein Refugium. Meine Höhle. Mein Ventil. Viel Spaß!

Blogparade zum mitmachen!

Mittwoch, 29. April 2020

Als der Muffin mein Leben rettete

"Sabine könnten Sie bitte mit der Patientin auf Zimmer 3 gehen? Da kann man lüften."
Jetzt hört man schon im normalen Betrieb so eine Ansage nicht soo gern, aber aktuell nervt es richtig! Bedeutet das ja entweder, die Patientin müffelt wie toter Waschbär  oder Patientin verbreitet Todesviren. Ich glaube, der tote Waschbär wär mir tatsächlich lieber gewesen.
Also jetzt ist es soweit, mein erstes Mal ... ich ziehe eins dieser gelben Ganzkörperkondome aus dem Schrank. Beim Anziehen merke ich sofort, das Ding ist luftdicht, kein Sauerstoffaustausch möglich. Dann die Spezialmaske, die Gute, für besondere Anlässe - ich bin hier zum arbeiten und nicht zum vor mich hin atmen! Handschuhe über die Ärmel. Der Azubi schnürt mich ein. Und zum Schluss das Sahnehäubchen: ein Visier! Allerdings gebe ich nach dem 4. Versuch auf, mir das Ding auf den Kopf zu setzen, der Gurt löst sich jedesmal. Schade, ich habe heute leider kein Schutzvisier für dich! Aber eine Schutzbrille hab ich, ich liebe ja Doppelbrillenoptik, da freu ich mich bei jedem 3D-Film im Kino!
So geschützt von oben bis unten schubse ich die Patientin vor mir her ins Zimmer 3. Während sich die Frau ununterbrochen für den Aufwand entschuldigt, versuche ich verzweifelt, mich zu konzentrieren. Meine Hände sind schon komplett eingeschlafen und taub. Blutabnehmen ohne Sicht und Gefühl, das klingt spannend! Ich taste nach der Vene und kann sie nur erahnen. Aber länger kann ich nicht suchen, mein Astronautenanzug bringt mich gleich um, das ist eine Sauna to go! Und das mir !!
Außerdem geht mir das nicht enden wollende Geplapper auf die Nerven.
Bitte Leut, wenn ihr mal beim Blutabnehmen seid - seid einfach still! Dann kann sich die Labortante konzentrieren und hat euch lieb!
Ich fühle, wie Schweißtropfen über meine Lippen am Kinn entlang laufen. Mein Rücken tut weh. Egal jetzt, rein mit der Nadel, Schuss ins Blaue! Und ein Treffer! Nein, kein Glück, das ist Können! *hust
Dann der Rachenabstrich für den gefährlichen Test. Mund auf, ganz weit! Hurra sie hört auf zu sabbeln!!
Ich weiß, dass ich den Wattetupfer so weit wie möglich in den Hals schieben muss und bin einen kurzen Augenblick froh, dass ich auf dieser Seite des Wattestäbchens bin. Bevor die Patientin richtig Zeit hat zu würgen bin ich fertig und beschwöre die Frau, dass sie direkt nach Hause gehen soll und nicht mehr rauskommen darf, bis sie unseren Anruf kriegt. Und ich versichere zum 10. Mal, dass sie sich nicht entschuldigen muss.
Ein einziger Gedanke erfüllt mich: runter mit dem Zeug !! Schnell!
"Sabine, ich hätte da noch einen Abstrich, die Patientin ist im Nebenraum. Gehen Sie auch ins Zimmer 3." Ich weiß schon, lüftbar. Die Patientin setzt sich. Ich fühle, wie der Kittel an den schweißnassen Armen kleben bleibt. Die Handschuhe sind nicht mehr Kinderkackegelb sondern durchsichtig vom Schweiß.
Schnell Mund auf, schnell den Rachen schrubbern, schnell weg mit dir! Und schön zu Hause bleiben!
Jetzt aber!
Kaum zurück im Labor, kurz bevor ich wieder Sauerstoff bekommen sollte "Sabine, da wäre noch ein Patient in Zimmer 4, einen Coronaabstrich bitte!"
Wollt ihr mich verarschen?
So jetzt gehts auf Zeit! In weniger als 5 Min zerfließe ich. In Selbstmitleid und wörtlich!
Ich schnappe mir ein drittes Röhrchen und stürme in Zimmer 4, wo ich einen toten Waschbären mit schlecht sitzender Perücke vorfinde. Ich strahle den Mann an, ich bin schließlich Profi. Auch, wenn der das unter der Maske nicht sieht. Ich versuche immer, super freundliche Augen zu haben, keine Ahnung, ob das so rüberkommt. Könnte auch als wirrer Blick interpretiert werden.
Während ich dem Mann, der mich nicht versteht, wild gestikulierend vorscharade, dass er seinen Mund weit aufmachen soll (spiel das mal vor mit Mundschutz) sammelt sich in meiner VIP-Maske das Wasser an. Er öffnet den Mund und ich bin nicht unglücklich darüber, dass meine Brille beschlagen ist. An seinem einzigen Zahn vorbei stochere ich gekonnt mit meinem Wattestäbchen in des Opfers Rachen. Stöpsel drauf, ab der Fisch!
Ich rufe Azubinchen herbei und sie hilft mir, mir die Sachen vom Körper zu rupfen. Brille weg, Handschuhe runter, schwierig, alles klebt fest. Diesen gelben Kittel weg und den Mundschutz, ich keuche und muss einen elenden Anblick bieten, Azubi guckt erschrocken. Ich sitze auf der Liege und versuche, zu atmen und mir das Gesicht zu trocknen. Alter Schwede!
Und es ist erst halb neun!
Gehetzt bringe ich meine Beute von drei gefährlichen Stäbchen in Sicherheit, da stolpere ich fast über den fies geparkten Rollator eines Opas, der es sich schon mal im Labor gemütlich gemacht hat. Schließlich hat er ja jetzt einen Termin und bis ich ihn aufrufe, dauert es ihm zu lange.
Ich bin noch nicht wieder unter den Lebenden und trocken auch noch nicht, da kann ich die Fragen des Opas nach meinem Wochenende und was die Liebe macht nur schwer ertragen. Warum könnt ihr nicht einfach den Schnabel halten, ich muss mich konzentrieren! Neue Handschuhe über schweißnasse Hände pfriemeln zum Beispiel is schwer! Der Profi in mir schweigt, während meine Augen dem Opa den Schweigefuchs zeigen!
Der Opa ist fertig und geht, ich reiße mir alles von Gesicht und Händen und in dem Moment kommt Kollegin U zu mir, streckt den Kopf ins Labor und verkündet:
"Es gibt neue Kirschmuffins! Komm und hol dir welche!"

Sabine - saved!





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Cute Rat