Wie schön, wenn ab und zu ein Wochentag aus der Reihe tanzt! Ein kleiner Farbspritzer im ständigen Alltagsgrau. Ist was Besonderes, weil es nicht allzu oft passiert. Aber gestern hatte ich einen erstaunlich ungewöhnlichen Freitag!
Fing damit an, dass ich pünktlich aufgestanden bin. Nachdem ich einen Tag zuvor verpennt hab, war ich morgens um halb sieben ganz stolz beim Kaffee trinken.
Weiter geht's in der Praxis. Etwas fast vergessenes schleicht sich durch die angelehnte Labortür: Ein Sonnenstrahl! Durch die Fenster im Wartezimmer kann ich blauen Himmel und Sonne sehen. Wahnsinn! Wie ungewöhnlich! Macht sofort bessere Laune. Genauso wie die Tatsache, dass wir heute den ruhigsten Freitag des Jahres erleben. Um elf Uhr war die Praxis leer .. also richtig leer. Ohne einen einzigen Patient! LEER! Und die Laborarbeit war fertig! Das auch noch, ich war einfach fertig.
Verblüffung!
Dazu kommt noch, dass alle Patienten, die heute bei mir zum pieksen waren, ausnehmend freundlich daherkamen. Kein böses Wort, kein genervter Blick, sondern lächeln und Lob und Geschichten. Und Zeit - arbeiten mit Zeit ist so kostbar! Ich muss niemand durchschleusen oder aus dem Raum drängen, weil der nächste schon ungeduldig wartet. Ich konnte zuhören und mit den Leuten lachen. Klasse!
Das Sahnehäubchen des Vormittags kommt in Form der Ansage von Kollegin Nachtigall. Wenn der Laborfahrer da war und die Proben alle abgeholt hat, kann ich nach Hause gehen - Überstunden abbauen.
Ta-daa! Wochenende!
Wir starten den Wochenendeinkauf, der diesmal ziemlich simpel daherkommt. Wir brauchen nicht viel. Der Mann ist gut gelaunt (!!) trotz Wind und Schnee, der den schönen blauen Himmel abgelöst hat. Man kann nicht alles haben.
Wieder zu Hause erleben wir das Wunder der Großstadt: wir finden einen guten Parkplatz! Die Freude ist groß!
Sehr ungewöhnlich.
Ich backe den ersten Teil des Kuchens. Am Samstag wollte ich zusammen mit Exi eine kranke Kollegin besuchen und ihren Lieblingskuchen mitbringen. Ich liege gut in der Zeit und bin ganz stolz auf mich.
Kurz nach Fünf schäle ich mich aus dem warmen Wohnzimmer und schmeiß mich in die kalte Nacht. Im eisigen Wind fahr ich in die City, um ein paar "alte Schulfreundinnen" zu treffen. Innerlich verabschiede ich mich von unserem schönen Parkplatz.
Ich freu mich auf die Mädels. Seit dem Event in der alten Schule kreisen meine Gedanken immer mal wieder um die Schulzeit Mitte der 80er Jahre. Und heute kommt "die Pferdekati", mit ihr hab ich mich damals echt gut verstanden! Wir sind oft beim Ponyhof gewesen - Mädchenzeugs halt. Mit 15 oder 16 hab ich sie zuletzt gesehen, ist also schon ein paar Tage her.
Die "Bauleiterin" sitzt schon da, wir begrüßen uns überschwänglich. Kurz darauf kommt die "frische Omi", sofort gibt es viel zu erzählen und zu lachen. Ich fühl mich wohl da. Das Lokal ist gemütlich, die Musik relativ dezent, die Speisenauswahl ungewöhnlich (also für mich).
Ich bestelle die erste Kichererbsen-Curry-Bowl meines Lebens. War überraschend fein!
Dann trifft die Pferdekati ein. Große Freude, nach so langer Zeit endlich mal wieder zusammen! Großes Hallo!
Klasse Abend, so lustig! Wir quatschen über unsere Kinder, die Berufe, die Wechseljahre, die Enkel, die noch nicht vorhandenen Enkel, die Männer und die alten Schulkameradinnen.
Dann trifft mich fast der Schlag - ich lasse den Blick durch den Raum schweifen und entdecke tatsächlich unseren alten Mathelehrer! Schnappatmung! Wortlos zeige ich in die Richtung, alle schauen hin und alle Kinnladen klappen runter! Da steht er, die ehemals schwarzen Haare und der Vollbart jetzt in weiß, aber eindeutig der B .. (wie nenn ich ihn? Bösewicht? Folterknecht? Zahlenteufel? au ja !) eindeutig der Zahlenteufel!
Damals hab ich ihn aus tiefstem Herzen gehasst - so wie man nur Mathelehrer hassen kann. Er saß immer lässig auf seinem Stuhl, eine Hand in der Hosentasche, rollte sitzend zur Tafel und hat die, die nicht seine Lieblinge waren (also mich) gerne voll auflaufen lassen.
Der Luzifer unter den Lehrern. Viele Tränen gehen auf sein Konto!
Und trotzdem, trotzdem hab ich mich in dem Moment gefreut, ihn zu sehen. Wir springen auf und gehen hin, wollen hallo sagen.
Ich gebe ihm die Hand und wünsche ihm alles Gute. Trotzdem er mir das Leben jahrelang zur Hölle gemacht hat. Eine Art von innerer Frieden senkt sich über mich! Ich hab dem Zahlenteufel verziehen! Amen.
Um ihn herum sitzen Mädels aus der Parallelklasse! So ein Zufall! Großes Gelächter!
Was für ein schöner, interessanter Abend!
Auf dem Nachhauseweg hör ich Musik und freue mich über diesen ungewöhnlichen Freitag.
Ich war ein Mal auf einem Ehemaligen Treffen. Damals ging ich auf meinen alten Physiklehrer zu, um ihm zu sagen, dass es nicht schön war, dass er mich immer mit meinem Vater verglichen hatte, der auch bei ihm Physik hatte, und mir deutlich machte, dass ich nicht dem Niveau entsprechen würde, das er in diesem Zusammenhang von mir erwartet hätte.
AntwortenLöschenImmerhin bekam ich nach all den Jahren eine Entschuldigung, musste aber auch erst erwachsen werden, um den Mut dafür zu haben.
Ich vergesse echt immer, das anonym weg zu machen. Huch...
LöschenPassiert mir auch oft, ich antworte sogar auf Kommentare oft unter Anonym .. und mehrk's erst später.
LöschenIst es nicht verblüffend, dass man erst nach Jahren und Jahrzehnten den Mut findet, dem Lehrer ins Gesicht zusagen, was schief war damals? Ich freu mich für uns beide, dass wir das geschafft haben!