Flucht aus dem heimischen Wohnzimmer! Dort tobt der leibhaftige Frust über das verlorene Fußballspiel. Ich bin ja stets versucht, nach zu empfinden, worum es eigentlich geht. So stehe ich der "irgendwer : 0" - Wut mit einem großen, roten Fragezeichen über dem Kopf gegenüber. Und dann frag ich mich, was mich wohl so auf die Palme (oder den Rand der Klippe) bringen würde. Was wäre so schlimm? Was lässt die Welt zusammenbrechen, was vernichtet alles Gute um einen herum und stürzt die Welt in Finsternis und Verderben? Wenn die geliebte Netflix-Serie zu Ende geht? Wenn das tolle Buch ausgelesen ist? Wenn sich die Ärzte trennen? Wenn der Kuchen anbrennt, schon wieder? Ich denke, das reicht alles nicht. Ok, wenn du ein richtig, richtig gutes Buch liest, das deine Gedanken wochenlang fesselt und es dann einfach so aus dem Nichts zu Ende gelesen ist, da kann schon mal das ein oder andere Tränchen fließen. Und dann braucht es auch einige Zeit, bis ich bereit bin für eine neue Geschichte. Aber das reicht nicht. Wenn ich weitergrüble, was schlimm zu verkraften wäre für mich, dann fällt mir ein übervoller Bestellkalender im Labor ein, eine Grippe-Impf-Flut. Das kann einen durchaus wütend machen, vor allem, wenn man um 10 Uhr Vormittags schon weiß, dass man nach Feierabend um 18 Uhr deswegen noch weiterarbeiten muss. Oder wenn Teambesprechung ist mit Themen, die mich halt so garnicht interessieren. Und ich müde bin wie eine Eule am Tag (cooler Vergleich, gell?). Oder wenn ich nach einem langen anstrengenden Tag noch einkaufen und kochen muss. Oder wenn ich mich drauf freue, endlich heim zu kommen, aber die anderen nicht?
Reicht noch immer nicht.
Was könnte so schlimm sein wie wenn der Club verliert?
Also, wenn ich davon ausgehe, dass mir die Einsicht und das Verständnis für einen Dolchstoß dieser Art wahrscheinlich immer verwehrt bleiben wird, kann ich nur klägliche Vergleichsversuche anstellen.
Trotzdem möchte ich wissen, was so fürchterlich sein könnte, dass die restliche Familie fluchtartig das Wohnzimmer mit Couch und Kuscheldecke verlassen lässt. Weil der Frust so groß ist, dass Türen und Klappen knallen, Öfen mit dem Fuß zugetreten werden und Geschirr in die Spüle gepfeffert wird, ganz egal ob zerbrechlich oder nicht, fluchend und schimpfend.
Ok, also, wenn ich mir vorstell, dass ich mich tierisch beeilen müsste weil ich verschlafen hätte, der Kaffee fiele aus, das Auto wäre zugeparkt, es würde regnen, vor mir schleichen die anderen dahin und ließen sich im Winde treiben, ich würde zu spät kommen und finge abgehetzt meine Arbeit an, es wäre 20 Grad zu heiß im Labor, die Leute würden Schlange stehen und ständig schimpfen, es wäre Teambesprechung und die Mittagspause fiele flach, ich müsste am Nachmittag wie am Fließband impfen und dadurch meine eigentliche Laborarbeit nach Dienstschluss zu tun wäre, wenn ich im dunkeln zum Supermarkt fahren müsste ohne Plan, was ich kaufen soll, danach zu Hause ewig einen Parkplatz suchen müsste und die Einkaufstasche im Regen 2 km zur Wohnung schleppen müsste, obwohl mir der Fuß tödlich weh tut und ich in eine Pfütze stolpere, wenn daheim alles dunkel ist weil geschlafen oder gedaddelt wird und mir keiner helfen würde, wenn ich völlig erschöpft kochen müsste und ich die Eier vergessen hätte und ich improvisieren müsste, wenn das Essen dann nicht schmeckt und die anwesenden Herren grantig sind und einer von ihnen während des Essens noch seine Socken auszieht um sich wieder hin zu legen (ohne Worte) und würde ich danach was im TV anschauen müssen, was ich eigentlich garnicht anschauen will und müsste dann noch feststellen, dass die Schokolade alle ist -
dann, aber nur vielleicht, würde ich im Ansatz ermessen können,
was es bedeutet,
wenn der Club schlecht spielt!
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