Mausloch

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Dienstag, 26. November 2019

die Sicht der Dinge

Es ist eigentlich verblüffend, wenn man sich so vor Augen hält, wie unterschiedlich die Ansichten, Meinungen und Geschmäcker der Leute sind. Jeden Tag wird man damit konfrontiert, auf der Straße oder der Arbeit oder zu Hause, im Netz oder im TV.
Das fängt schon in der Früh an, wenn man zur Arbeit fährt. Ich bin, und war immer, der Meinung, frühmorgens sollte man zügig vorankommen, der Arbeitsbeginn richtet sich nicht nach der Verkehrslage oder dem Gemüt der Autofahrer. Während manch einer sich früh um dreiviertel acht vom Wind über die Kreuzung treiben lässt, trete ich dann doch eher aufs Gas, weil ich einigermaßen pünktlich kommen will. Haben die alle soviel Zeit übrig?
Oder während der Arbeit. Smalltalk. Wenn echt viel los ist und die Hütte brennt, wenn ich versuche, zu überleben kommen manche mit smalltalk daher. Da hab ich keinen Nerv! Erst schimpfen und motzen und dann im Zimmer übers Wetter reden oder über die Wirtschaftlichkeit der Ärtzeschaft oder über das aktuelle Christkind. Bla bla bla. Da muss ich mich echt zusammenreißen.
Klar auseinander geht auch der Musikgeschmack. Immer wieder bin ich baff erstaunt, wie einem das Herz aufgehen kann, wenn man Schlager hört oder (O-Ton Sohn:) Jazz für Fortgeschrittene.
Hab ich wieder was gelernt, das, was ich als Jazz bevorzuge, läuft in Kennerkreisen unter "Jazz für Anfänger". Zum Beispiel Etta James, Otis Redding oder Billie Holiday. Damit kann ich aber gut leben.
Auch die Ansichten und die Wahrnehmung zu Hause gehen weit auseinander. Es gibt Leute, die mögen ihr Heim am liebsten minimalistisch eingerichtet. Weiß und kahl und mit möglichst wenig Deko. Dann gibt es andere, die es gemütlich mögen. Dazu gehört auch die freie Fläche. Wenn du eine oder zwei freie Flächen zu Hause hast, zB ein Tisch oder eine Anrichte, wirkt alles gleich viel ordentlicher. Das finde ich gut - sofern man die Zeit dazu hat. Ich finde, es gibt wichtigeres, als ständig in der Wohnung rum zu räumen. Ich setz mich lieber mit meinem Kind hin und hör zu, was es zu sagen hat als zu räumen auf Teufel komm raus! Bisschen Unordnung macht Gemütlichkeit! Aufgeräumt wird, wenn ich a) Zeit dazu hab, das heißt, echt nicht nach einem langen Arbeitstag und b) wenn es die immer anwesenden Schmerzen zulassen. So ist das.
Manchmal frage ich mich, ob es das Umfeld ermessen kann, was es bedeutet, wenn man immer und ständig von Schmerzen begleitet wird. Was es nicht nur mit dem Körper sondern auch mit dem Gemüt anstellt, wenn man vor lauter Leiden zu nix anderem mehr kommt. Aufpassen muss man allerdings, dass es nicht überhand nimmt. Dass einen die Schmerzen nicht auffressen und dann geht nämlich garnichts mehr.
Aber das kann man nur wissen, wenn man mittendrin steckt. Von außen wirkt man meist ganz anders. Auch wenn man denkt, man kommt gut rüber, wird man trotzdem gefragt, ob irgendwas ist.
Weil ein anderer vielleicht ein völlig anderes Bild von einem hat. Und dann steht man da und staunt, weil man doch dachte, man macht alles richtig. Es wäre wirklich interessant, wie man auf andere wirkt in der Art, wie man ist und dem, was man sagt und tut.
Umgekehrt ist es ja auch so, man schätzt sein Gegenüber oft völlig anders ein, als er eigentlich drauf ist. Und man zieht Konsequenzen aus seinem Urteil, behandelt den anderen mit Samthandschuhen um den großen Knall zu vermeiden oder aus Mitleid oder aus reinem Selbstschutz. Es kann ja auch ziemlich gefährlich werden. Während jedes Kind weiß (oder wissen sollte), dass man zB mit einem Betrunkenen nicht diskutieren sollte, weil es echt nix bringt, legt es ein anderer vielleicht volles Rohr drauf an, und dann hat man Schawupp den schönsten Krach auf dem Teller!
Die Wahrnehmung ist so unterschiedlich.
Aber man hat auch immer die Wahl. Fühl ich mich jetzt verletzt? Oder missverstanden? Oder beleidigt oder wütend, wenn man von anderen falsch eingeschätzt wird?
Die Kernfrage ist, was bringt das? Was stellt es mit mir an, wenn ich mich durch Handlung, Blicke oder Kommentare angegriffen fühle. Ich finde, nüchtern betrachtet, hilft da nur eins:

Cool bleiben, Empathie zeigen, und akzeptieren, dass meine Wahrnehmung nicht die der anderen sein muss.
Und - janz wichtig - das Übel nicht persönlich nehmen. Das brodelt nur in einem und man knallt  gegen eine Wand. Dann ist man sauer und wütend auf den anderen.

Mein Lieblings-Smaragdgrün kann für jemand anderen tatsächlich ein doofes Brokkoli-Schlammgrün sein. Muss man einfach akzeptieren!



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