Die Ehrungen nehmen kein Ende! Der Mann wird gewürdigt für 40 Jahre Treue bei der Deutschen Bahn! Erst das rauschende Fest der Gewerkschaft, dann die wilde Party im DB-Museum sponsored by Eisenbahn.
Wir haben schon befürchtet, zu spät zu kommen, weil überall Stau war. Im großen Saal des altehrwürdigen DB-Museums werden heute die treuesten Mitarbeiter geehrt. Da gehört der Mann dazu. Im Saal mit extrem hoher Decke und voluminösen Kronleuchtern waren große, runde Tische aufgestellt, an denen schon etliche Bahrerer nebst Gattinnen saßen. Oder Bahnerinnen nebst Gatten. Kurz nachdem wir Platz genommen haben, wird mir eiskalt bewusst, dass ich den Smalltalk verlernt hab. Aber hallo! Die Leute waren mir alle unbekannt, ganz still und verkrampft saß ich da auf meinem Stuhl. Früher wäre das für mich kein Problem gewesen, munter drauf los zu plappern - aber heute?
Ich bin völlig raus aus dem Plaudergeschäft.
Herrschaften des Vorstands beginnen mit der Ehre. Erst kamen die 50-Jahre-Jubilate dran, kleine Laudatio auf den Lebenslauf, Glückwunsch, handschütteln und eins der vielen identischen Päckchen in die Hand gedrückt.
Die 40-Jahre-Kandidaten waren mehr. Auch da wurde gewürdigt und die Hand geschüttelt. Auszeichnungen und Werdegang vorgelesen, strahlen, Applaus! Auch der Mann bekam Applaus und eins dieser Päckchen. 40 Jahre Arbeit. 40 Jahre Verantwortung, Organisation, Einsatz, Nachtschicht, Bauzug, Bereitschaft, Streckengang, Aufsicht, Lehrgänge, Sitzungen und Prüfungen. Er leistet viel, ist ein zuverlässiger, beliebter Kollege. Ich weiß nicht, ob ich stolz war, stolz ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Er ist ja nicht mein Sohn. Wärs mein Sohn, würd ich platzen vor Stolz. Ich war voller Bewunderung! Vor seinem Einsatz und seiner Firmentreue. Soweit bin ich noch lange nicht, bis ich die 40 Arbeitsjahre voll hab, dauert es noch 7 Jahre - die Lehrzeit nicht mitgerechnet.
Ich beobachte die beiden 50er an unserem Tisch und beneide sie. Die gehen bald in Pension und machen sich ein schönes Leben. Bis ich in Rente gehen kann, allmächt! 2036. Das ist Sience Fiction.
Es gibt einen Haufen Blumensträuße für die anwesenden Damen und es werden Gruppenfotos gemacht. Ich bin neugierig, was in den Päckchen ist. Eine Miniatur Eisenbahn? Eine gerahmte Urkunde? Ein Bahn Lexikon? Oder eine Bahnhofsuhr, retro, für die Wohnzimmerwand?
Das Buffet ist eröffnet. Fürchterliche Musik erschallt und alle reihen sich ein in die Warteschlange. Es gibt Platten mit Odeuvre. Und warmes Essen - Schweinebraten mit niedlichen Mini-Mini-Knödeln oder Lachsfilet, Reis, Weinsoße und kleine Gläschen mit irgendeiner Creme als Nachtisch. Wir entscheiden uns für den Lachs. War fein!
Die Herren am Tisch fachsimpeln über den Beruf des Bahners, die Damen lächeln unsicher in die Gegend. Dann überwinde ich mich und frage, was denn deren Berufsfeld ist. Kleines Pläuschen. Und ich bin heilfroh, als wir beschließen, das Spektakel zu verlassen.
Auf dem Weg über die große Freitreppe des Museums und zum Auto reden wir beide wie ein Wasserfall! Da die nächste Ehrung erst in 10 Jahren stattfinden wird, haben wir noch genügend Zeit, unsere Smalltalk Fähigkeiten zu trainieren.
Zum Glück mussten wir keine Rede halten. Oder tanzen! Glück gehabt!
Daraufhin entbrannte im Auto eine wilde Diskussion über die schlimmsten Arbeits-Geschenke unserer Laufbahn. Ich bin mir sicher, ich hab gewonnen. Das Siegerutensil ist ein Kaffeebecher aus echtem Plastik aus dem 1-Euro-Shop, der beim Auspacken schon kaputt ging. Dagegen ist so eine Pflegeserie doch ziemlich edel, oder?
Naja, die Pflegeserie kann man zumindest sinnvoll nutzen... zusammen :)
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