Eine große Baustelle, die die Zufahrt zu unserer Straße blockiert, Parkplätze frisst und uns bis zum Ende des Jahres erhalten bleibt. Mindestens. Irgendwelche Leitungen müssen saniert werden, heißt es. Ja, wir freuen uns sehr. Die Stadt verwöhnt uns sowieso schon mit Baustellen an jeder Ecke, dass wir jetzt unsere eigene kriegen, rührt uns total.
Die Parkplatzsuche, die sowieso schon recht spannend war, nimmt jetzt Formen ungeahnten Ausmaßes an. Einzelne Glückspilze erwischen einen, wenn sie gegen 10 Uhr Vormittags eintreffen. Ich hab meinen Chef informiert, aber er weigert sich, mir zu dieser Zeit Feierabend zu gewähren, was schade ist. Was bleibt ist ein abendliches Parkplatzroulette mit der Chancenquote 1:100.
Auch wenn diese all abendliche Spannung den Blutdruck erheblich steigen lässt, der Mann und ich setzen uns trotzdem hin und grübeln eine Lösung herbei. Hier bieten sich klar drei Möglichkeiten an:
1. Wandern. Ich könnte zur U-Bahn wandern, viermal am Tag hin und her. Normale Menschen machen sowas. Zu diesen zähle ich mich aber schon lange nicht mehr, mein innerer Jürgen plärrt und stampft wütend auf. Meine Gelenke erlauben mir einen Spazierweg bis zur Bordsteinkante und wenn ich nicht abends weinend in der Ecke kauern will, fällt diese Möglichkeit also aus.
2. Ein halbes Jahr krank melden. So verlockend diese Variante Problemlösens auch scheint, auch hier ist mein Chef not amused. Überraschenderweise ist er damit nicht einverstanden.
3. Ein alternatives Fortbewegungsmittel muss her. Ein Fahrrad zählt wie die Wanderschaft zur U-Bahn zur unlösbaren Hürde. Knie, Fuß, alles. Also brauchen wir was bequemeres.
Wir beschließen, uns einen Motorroller zu kaufen! Bingo!
Damit komm ich überall hin, Platz zum Abstellen findet sich auch überall, und außerdem macht Roller fahren voll Spaß!
Beschlossene Sache! Der Mann und ich suchen online nach Läden in der Stadt, die Roller verkaufen. Klein muss er sein, klein und günstig bitte. Die Suche ist garnicht so einfach, aber wir finden einen Verkäufer in der Gegend. Im Laden stehen wirklich viele Roller herum, einer hübscher als der andere. Die meisten sind ziemlich groß und wuchtig, da trau ich mich nicht ran. Aber hinter all den bildschönen Vespas in rot oder lindgrün, die mein Konto komplett leerräumen würden, verstecken sich 6 kleine Piaggio Geschosse. Die sind irgendwie niedlich. Genau die richtige Größe und bezahlbar sind die auch.
Eine nette Angestellte zeigt uns die Finessen (Sitz hoch, Sitz runter), erklärt uns den Akku und auch gleich, dass ein Benziner weitaus teurer wäre. Also gut. Ein Elektro Johnny. Ich darf eine Probefahrt machen und bin gleich so aufgeregt, dass ich bestimmt ganz rote Ohren hab. Zum Glück sieht man meine Ohren nicht unter dem Leihhelm.
Dann wird's ernst. Ein Azubi erklärt mir Start Stop Brems und Blinkmanöver, gibt mir den Schlüssel und wünscht mir viel Spaß. Mein Herz klopft. Zum Glück sind da ein Haufen Leute vor dem Geschäft, die mich schön beobachten können! Krampfhaft versuche ich mich zu erinnern, wie das damals war. Ich hatte schon mal einen flotten Roller, ist genau 28 Jahre her. Damals bin ich hemmungslos durch die Stadt gebrettert mit dem kleinen Kerlchen.
Und jetzt hab ich Bammel! Meine Güte, stell dich nicht so an, das ist ein sehr gemächlicher Flitzer, kaum 50 ccm, damit kannst du mit 30 durch die Straßen tuckern!
Ich trau mich! Hier ist Industriegebiet und fast keiner unterwegs. Und ich sause mit 25 kmh die Straße entlang! Huiii! Das macht Spaß !!! Ich fahr gerade aus und freu mich total! Aber da vorne ist eine Wendeschleife! O Nein! Eine Kurve, da ist eine Kurve! Laaaangsam bezwinge ich diese Hürde und komme ganz souverän wieder auf den Platz vor dem Geschäft angefahren.
Das ist voll meins! Den will ich haben! Ich will Roller fahren! Ich bin verliebt!
Zu Hause zücke ich mein Handy und suche ich als erstes nach einem coolen Helm. Leider gab es in meiner Preisklasse nur einen dunkelgrauen Roller, also muss der Helm die Tristesse wieder raushauen. Ich finde einen roten Jethelm und bestelle sofort. Und dann noch eine Regenhose zum drüberziehen und ein Häubchen für den Roller, falls er über Nacht im Regen draußen stehen muss. Wir melden ihn der Versicherung und dann warten wir. Und warten. Und warten. Ich bin ganz hibbelig! Bis dann nach fast 2 Wochen endlich der Anruf kommt:
"Der kleine Piaggio möchte bitte aus dem Geschäft abgeholt werden!"
Au ja! Los geht's. Und schon wieder hab ich bisschen Bammel, schließlich will ich jetzt auf öffentliche Straßen, mitten rein in den Verkehr und das bis nach Hause!
Wir unterschreiben alles nötige, ziehen die Karte durch und ssst! ist die Kohle weg!
Dann kommt der große Moment! Nach einer erneuten Erklärung, wie es geht und was an Technik zu wissen ist steige ich auf, setze den coolen roten Helm auf und starte!
Der Mann fährt vorsichtig hinter mir, dann vor mir, dann neben mir. Er hält immer wieder in Parkbuchten und wartet darauf, dass ich vorbeisause! Im Eco Modus fahr ich 30kmh, das kommt mir richtig schnell vor! Im Auto würde ich spontan einschlafen, aber auf dem Roller hab ich das Gefühl, ich bin ein Blitz! Oder zumindest die Königin der Straße! Hurra!
Am Montag Abend hab ich den Weg zur Arbeit ausgetestet. Klappt prima! Gut, statt 6 Minuten brauch ich jetzt 24, Musik ist auch keine da und ab und zu knallt ein Insekt an meine Brille - aber der Spaßfaktor ist enorm hoch! Außerdem kann ich ja während der Fahrt den Mund geschlossen halten, sodass ich eine unfreiwillige Proteinaufnahme vermeiden kann. Und Musik kann ich lässig in meinem Kopf abspielen, ist ja genug gespeichert. Born to be wild .. möööööööp .. King of the road .. möööööööp .. Easy Rider ... möööööööp.
Im Rollertempo kriegst du viel mehr von der Gegend mit und den vielen Gullideckeln oder Schlaglöchern auszuweichen, gestaltet sich spannender als gedacht!
Heute war ein Regentag und ich musste aufs Auto ausweichen. Trotz Parkplatzabenteuer. Ich war richtig traurig, weil ich den kleinen Flitzer vermisst hab. Der steht vor dem Haus, hat sein Häubchen auf und wartet.
Um einen Parkplatz muss ich mir keine Gedanken mehr machen, ich komme ganz entspannt an und stell den Ranger unters Küchenfenster.
So heißt er, Ranger. Weil es ein Typ Piaggio 1 Short Range ist. Die Batterie lade ich abends an der Steckdose auf.
Dann hat der Ranger wieder Power!
Ja wie geil! Sorry! Kleiner Gefühlsausbruch! Was für ein toller Post und welch herrliche Bilder. Dann mal gute Fahrt und auf zu neuen Ufern! Viel Spaß :)
AntwortenLöschenDankeschön! Happy Sabine im Rollerrausch :-))
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