So anstrengend der Vormittag war, so entspannt war der Rest des Tages. Wahrscheinlich wollte bei dem Mistwetter heute Nachmittag keiner mehr raus und zum Arzt rennen.
Wir nehmen es niemandem übel!
Zumindest hatte ich schön Zeit, ins Mausloch zu schreiben. Das bedeutet, weiter geht's mit:
Auf was achtest du vor allem, wenn du jemandem zum ersten Mal begegnest?
Das ist tatsächlich garnicht so einfach zu beantworten, wie ich erst gedacht hab!
Wenn ich so überlege, ist es wahrscheinlich zu allererst die Mimik. Der Gesichtsausdruck sagt mir, ob mir dieser Mensch freundlich begegnet, ob er was von mir will oder ob ich nicht in seiner Liga spiele und er mir das vermitteln will.
Angenommen, jemand kommt mir breit grinsend entgegen und streckt mir schon auf halben Weg die Hand entgegen. Da ordne ich ihn spontan in den inneren Kreis der netten Leute ein, die ich mag oder zu denen ich zumindest freundlich bin. Ich bin gerne freundlich! Weil ich es schön finde, ersteinmal vom Besten auszugehen.
Grinsemenschen kriegen meist viel von mir. Ich biete Hilfe an, wenn ich kann, bin höflich und nett. Lieb sein kann ich!
Aber
kommt jemand mit einem seichten, dümmlichen Dreiviertellächeln zu mir, will er bestimmt irgendwas und meist ist das etwas, was mir nicht gefällt. Oder zu meinem Nachteil ist. Oft wird dieses seichte Lächeln von einem schwammig-schmierigen Händedruck unterstützt. Dann geh ich schonmal auf Abwehr und hör mir zumindest an, was der will. Höflich bleiben kann ich gut - ich bin Arzthelferin. Ob er kriegt, was er will, sei dahingestellt.
Kommt einer zu mir und die Überheblichkeit strömt aus jeder Pore, dann hat er oder sie schon verloren. Das seh ich oft bei Patienten. In den meisten Fällen sind das jüngere Damen, Juppies oder verbitterte Opas. Oder Anzugträger! Oje! Im Grunde mag ich Leute, die sich schön anziehen und ein Anzug steht eigentlich so gut wie jedem Kerl. Aber es gibt da diese Spezies Schlipsträger, die sich ganz schnell auf selbigen getreten fühlen und blitzschnell ihr Gegenüber spüren lassen, dass man nicht gut genug ist, in seiner Nähe zu stehen. Zu erbärmlich, um mit ihnen zu sprechen und nur weil es nicht anders geht, reden sie mit einem. Meist ziemlich belehrend und mit Kunstpausen im Satz. Himmel!
Das ganze Drama wird unterstützt mit einem fiesen, abschätzigen Blick.
Ich kenn das nur zu gut - Herr oder Frau Arroganto kommt auf mich zu, sieht mich und die Augen scannen meine Statur in einer Sekunde ab, mit dem Ergebnis: Unwürdig.
Kannste knicken! Patienten dieser Gatttung kriegen von mir das Klebeband verpasst, statt des hautfreundlichen Pflasters!
Abgesehen von der Mimit ist die Körperhaltung auch ziemlich aufschlussreich. Ein aufgepumpter Schrank, der in diesem selbstgefälligen Wiegeschritt auf einen zugewalzt kommt, der kann nur eine Luftpumpe sein! Da kam bis jetzt noch nie was sinnvolles rüber, weder von der einen, noch von der anderen Seite. Da mach ich zu!
Merke: Selbstverliebte Gockel, arrogante Wichtigtuer und aufgeblasene Simpel mag die Sabine garnicht!
Gehen wir einmal vom Idealfall aus und es steht ein netter Fremder vor mir.
Worauf schau ich zuerst? Ich hab das heute Nachmittag geübt, hab mir alle Patienten genau angeschaut und ich bin zu folgendem Schluss gekommen:
Es sind die Augen, die Klamotten und - ganz wichtig - die Hände!
Prinzipiell würde ich auch auf das ganze Gesicht achten und nicht nur auf die Augen, aber die tragen alle Masken, da ist das bissl schwierig.
Keine Ahnung, warum ich auf Hände so großen Wert lege. Gepflegt müssen die sein, sauber wäre auch schön. Lange, dünne Finger finde ich genauso furchtbar wie Klodeckelhände mit dicken, kurzen Fingern. Schöne Hände müssen zu schönen Armen passen, dann passts auch mit mir!
Augen, klar, jeder schaut auf die Augen. Freundliche Augen sind angenehm.
Und die Haare auch. Haare und Klamotten verraten schon einiges über den Typ. Grade jetzt , wenn ich eine Frau mit sehr dünnen, lichten Haaren sehe, empfinde ich sofort eine starke Sympatie und möchte sich am liebsten auf ein Stück Kuchen einladen. Solidarität, Schwester!
Ich mag Leute, die Klamottenmäßig ein bisschen zu mir passen. Also weder aufgerüscht, noch zu elegant, glitzerig, modisch, hipp, überteuert, alternativ, nachlässig, knapp, eng, sexy oder übertrieben. Das alles nicht. Ich weiß nicht, ich kann mir einem Modepüppchen einfach nichts anfangen. Da weißt du doch schon sofort die wesentlichen Charakterzüge, wenn dir die Möpse direkt aus dem Auschnitt ins Gesicht springen wollen! Das ist ermüdend und langweilig. Also für mich.
Von dem ganzen optischen Zirkus mal abgesehen, wie jemand mit mir spricht, ist ausschlaggebend. Da kann es sogar eine Glitzerbarbie mit Riesenhupen und Chanel-Jäckchen sein - wenn mir jemand freundlich begegnet, nette ich zurück! Aus Prinzip. Äußerlichkeiten können nie so wichtig sein wie das Verhalten von jemand und dem Inhalt seiner Sätze.
Haha Sabiene, die Luftpumpe merke ich mir.
AntwortenLöschenNett, Sabine, einfach nett.
AntwortenLöschenIch glaube, wir sollten uns mal treffen.
Wenn einer schon so die Tasse hält, ist er bei mir auch schon verloren.
Ja, Körperhaltung da kann man sehr viel sehen.
Ich wünsche dir einen schönen Tag und liebe Grüße Eva