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Mittwoch, 4. Oktober 2023

der mysteriöse Umschlag

 Was für ein Tag! Den hätt ich so auch nicht gebraucht! Dabei hab ich mich so über den halben Mittwoch als entspannten Wocheneinstieg gefreut .. Es war so voll in der Praxis, als hätte jemand Freibier beim Arzt versprochen! Patienten ballen sich in Trauben vor der Labortür, scharren ungeduldig mit den Hufen, einer kippt um weil der Kreislauf meine Nadel nicht gut fand, viele Fragen, noch mehr Sonderaufträge seitens der Ärzteschaft und etliche Besserwisser, die mir meinen Job erklären möchten. Danke dafür an dieser Stelle, ich bin immer dankbar, wenn ich Instruktionen von Außen bekomme! Das ist ganz toll.

Im Handumdrehen war es 13 Uhr, eigentlich Feierabend. Aber wenn ich mich im fensterlosen Labor so umschaue, ist der Feierabend noch weit entfernt. Überall liegen Blutröhrchen rum, Nierenschalen, Aufträge, Aufkleber, angenommene Lieferungen, Urinbecher und lauter Zeug, dass weggeräumt werden will. 

Ich seufze. Wat mutt, dat mutt. Und ich räume und teste und beschrifte und etikettiere. Dann geb ich alles in den Pc ein, der heute wieder tödlich langsam ist. Nach jedem Klick 30 sek warten, das macht Laune! Ich wüte also in meinem Kabuff umher und will gerade einen Lieferschein im Ordner im Büro abheften, da sehe ich einen braunen Umschlag in meinem Personalfach. 

O Shit!

Mein erster Gedanke: Herzlichen Glückwunsch, das ist Ihre Kündigung.


Ich hab noch nie einen großen braunen Umschlag im Fach gehabt, die Gehaltszettel sind weiße Briefumschläge. Was zum Geier ist das? Das Etikett verrät mir auch nur, dass es was offizielles ist, an mich adressiert.

Ich leg mir den Umschlag zwischen das Laborchaos und beäuge ihn immer wieder misstrauisch. Eine Stunde nach Feierabend bin ich endlich annähernd fertig, der Rest muss bis morgen warten. Den Umschlag will ich jetzt nicht aufmachen, ich hab bissi Bammel. Also steck ich ihn ein und nehm ihn mit. 

Auf der Fahrt zum Supermarkt denk ich die ganze Zeit dran. Was, wenn das wirklich meine Kündigung ist? Der neue Boss ist sehr leistungs- und profitorientiert, vielleicht bin ich zu langsam? Säg die Olle ab und hol dir was Frisches ins Labor.
Kann ja sein. Ich bin so lange schon in dem Verein, da bin ich vielleicht zu "altbacken" für den Job?!

Es nagt an mir. Ich fahre mit den Einkäufen und dem Umschlag nach Hause. Beim Mittagessen liegt der Umschlag neben mir. Ich trau mich nicht! Vielleicht warte ich, bis einer Heim kommt, dann trifft es mich nicht allein.
Also mach ich ein Nickerchen. Schlafen kann ich aber nicht richtig, ich bin nervös. 
Ich breche das Nickerchen ab und zwinge mich, diesen blöden Umschlag zu öffnen.
Wenn ich rausgeworfen werde, fällt zwar mein ganzes Gehalt weg, aber es würde auch so gehen. Irgendwie. Ob ich wieder vermittelbar bin, bezweifle ich. Zu alt, zu krank, zu langsam. Dann muss ich mir irgendwas fachfremdes suchen. Regale einräumen oder Telefon-Girl in irgendeinem Amt. 
Ich seufze erneut.
Und dann mach ich den Umschlag auf und guck rein.
Gut, dass ich das gemacht hab. 

Jetzt geht's wieder!





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