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Donnerstag, 24. August 2023

Smile - it confuses people

Heute ist etwas sehr seltsames passiert. Ungewöhnlich und extrem selten.
Ich bin heute gern zur Arbeit gegangen! Wie konnte das passieren? Was ist da los?
Aus lauter Ratlosigkeit hab ich ein bisschen gegrübelt. 
Gab es das eigentlich schon mal, dass ich gern zur Arbeit gegangen bin? Also gut gelaunt und überzeugt, dass der Tag gut wird?
Ich kann's immer noch nicht so recht fassen.
Vielleicht war ich einfach froh, dass ich früh dran war. Das bedeutet, ich kann mir vor dem Startschuss noch einen Kaffee machen und ganz entspannt dem täglichen Wahnsinn entgegen blicken. Und der Wahnsinn kam, kein Thema. Der Wahnsinn kommt fast immer.
Wenn eine Praxis kurz vor der Urlaubsschließung steht und zudem auch noch Vertretung für eine andere Praxis hat, dann müssen die Angestellten leiden. Ein Ansturm von Patienten wie man ihn nie vermutet hätte.

Nun haben wir unsere eigenen Patienten ganz gut erzogen. Die meisten wissen sich zu benehmen und ihre Forderungen nach Rezepten, Terminen und punktgenauer Behandlung halten sich in der Norm. Sie wissen, was zu tun ist, wenn man zum Arzt geht.
Klar oder? Anrufen, Termin vereinbaren, warten, wissen, dass es dauern kann. Rezepte müssen unterschrieben werden und Arbeitsunfähigkeitszettel stellt der Arzt aus, nachdem man ihn gesehen hat. Sollte jeder wissen, möchte man meinen.
Falsch gedacht!
Die Kollegen setzen sich nicht einfach morgens an die Anmeldung, sie betreten eine Kampfarena.
Vertretungsarztkandidaten kommen wild um sich schlagend, brüllend und das Unmögliche fordernd ohne irgendeine Form von Vorwarnung an die Theke und überraschen uns mit immer neuen Beleidigungen oder gänzlich fehlender Umgangsformen. Mein lieber Scholli!
Die Leute stehen Schlange bis zur Tür, scharren mit den Hufen und bis sie an der Rezeption stehen, hat sich all ihr Frust und ihre Wut auf die Welt gebündelt, die dann kompakt der Arzthelferin entgegen geschleudert wird. Ich bin jetzt da und ich will und ich hab ein Recht und jetzt und sofort! Hopp zack, ich hab keine Zeit, ich bin König Kunde und ich verlange!

Ich bin jeden Tag aufs Neue erstaunt, wie wenig Benehmen und Anstand die Leute haben. Wie jede jemals dagewesene Erziehung flöten geht, sobald sie der Helferin gegenüber stehen. Warum man laut fluchend und schimpfend in einer überfüllten Arztpraxis steht und alle angreift, die man erblickt.
Wir haben alle Hände voll zu tun. In erster Linie damit, ruhig und freundlich zu bleiben.
Bis zu einem gewissen Punkt geht das auch recht gut, unterstützend dabei wirkt sich die Ausbildung, die jahrelange Erfahrung und nicht zuletzt logisches Denken aus.
Wir sind Profis. Zum Glück. Wären wir das nicht, würde das Ganze explodieren und wir bräuchten keine Warteliste, sondern einen Ringrichter.

Jetzt weiß ich aber immer noch nicht, warum ich heute morgen fröhlich und beschwingt in den Ring gestiegen bin. Vielleicht war es die Aussicht auf den Urlaub nächste Woche? Oder die Gewissheit, dass diese elende Hitze bald ein Ende findet? Oder war es pure Naivität? Das kann ich nämlich echt gut, ich bin die Königin der Naiven! Krönt mein Haupt.
Es kann auch sein, dass ich genau weiß, dass ich blöde Leute und ihre dummen Kommentare oft weglächeln kann. Das verwirrt die meisten. Wenn mich einer anblafft und ich nur wortlos zurücklächle, entsteht eine herrliche Unsicherheit. Der Patient verliert den Faden und in diesem winzigen Zeitfenster der Verblüffung kann ich ihn dezent aus dem Labor und ins Wartezimmer bugsieren. Oft weiß der Patient dann gar nicht, wie ihm geschieht. Jedenfalls gehe ich davon aus, wenn ich dessen Gesichtsausdruck sehe.

Ich lächle dich weg, du Narr!

Im Geiste höre ich dann eine imaginäre Peitsche knallen und bin sehr zufrieden mit mir.
Immer klappt das nicht, aber wenn, dann find ich das richtig gut!

Die armen Kollegen an der Anmeldung haben es schwerer als ich, die sind dem Gewitter schutzlos ausgeliefert. Da hilft oft nur der Gedanke an den baldigen Feierabend, den Urlaubsbeginn in ein paar Tagen oder die Sicherheit, dass die Vertretung des anderen Arztes ein Ende haben wird. Halleluja!










1 Kommentar:

  1. Hallo liebe Sabine,

    wie schön und wunderbar du das wieder geschrieben hast. Ich freue mich so sehr, dass du heute mit einem glücklichen Gefühl losgelaufen und gestartet bist. Das ist toll und macht den Tag sofort leichter. Ja und was die Menschen angeht, ich verstehe die (um ehrlich zu sein) immer weniger. Mir kommt es bisweilen vor, als seien alle nur noch aggressiv und wütend unterwegs. Schön ist das nicht!

    Vielen Dank für den tollen Artikel!

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