Was für ein holpriger Start!
Seit fast einer halben Stunde versuche ich verzweifelt, in dieses Zoom Meeting reinzukommen, aber alles war vergebens. Sogar die professionelle Hilfe vom Bub ist an meinem Handy abgeprallt. In meiner Verzweiflung hab ich Anna eine E-Mail geschickt. Aber dann konnte ich nach wildem herum tippen das eine, kleine Häkchen entdecken, das angeklickt werden wollte und siehe da – ich bin drin!
Hurra!
vecteezy |
Also mit Verspätung, aber voller Ambition starte ich in diese Blognacht!
Endlich mal wieder. Die letzte Blognacht hab ich einfach verpennt! Zustände sind das ..
Aber jetzt geht's los! Ich weiß auch den aktuellen Impuls:
Selbstschokolierung – das kann ich besonders gut!
Selbstschokolierung. Lese ich tatsächlich zum ersten Mal! Und gleich hab ich Kopfkino von jemand in einen Schokobrunnen gefallenen .. nu werd mal nicht albern!
Aber ein bisschen Schokolade hätt ich jetzt echt gern. Schokolade fehlt mir.
Ich weiß zumindest (oder glaube es zu wissen), was "Selbstschokolierung" bedeuten könnte. Eigenlob quasi. Wenn einen sonst keiner lobt, muss man es eben selbst in die Hand nehmen! Und ein bisschen was werd ich schon auch können!
Die Patienten finden es gut, wie ich Blut abnehme. Also die meisten. Ab und zu hab ich auch ein Häschen da sitzen, meist muskelbepackt und volltätowiert. Da wird die Blutabnahme zum blanken Horror und eine Kollegin muss Händchen halten. Also beim Patienten. Ich krieg das ganz gut hin, über 30 Jahre Arme pieksen schafft Erfahrung. Ich freu mich immer, wenn die Leute erleichtert aufatmen, weil es nicht so schlimm ist wie befürchtet. Oder irgendwelche Omis, die mir erzählen, dass sie froh sind mich im Labor zu sehen.
Das ist richtig süß! Ich denke, das mach ich ganz gut. Genauso gehört zum ordnungsgemäßen Blutabzapfen auch ein gewisses Feingefühl. Nicht nur für die Nadel in der Hand sondern für die Sorgen der Patienten. Während der Minute, in der das Blut fließt, schütten mir viele ihr Herz aus. Über ihre Beschwerden, über die Schmerzen, den Alltag, den Verlust ihres Partners, die Wehwehchen des Partners, der Kinder, der Nachbarin. Manchmal höre ich ziemlich heftige Geschichten und weiß dann nicht, was ich drauf sagen soll. Dann sag ich nichts und halte nur kurz die Hand. Vielleicht ist das gar nicht so schlecht und besser als eine Phrase. Aber die Leute fühlen sich verstanden und viele russische Omas nennen mich "Sabinitzka" und geben mir russische Bonbons.
Ich finde, wir sind Profis. Profi sein können wir gut!
Also, wir wissen jetzt, dass ich meinen Job wahrscheinlich ganz gut mache. Ich hab den leisen Verdacht, dass ich da nicht die einzige bin. Also sollte ich noch etwas tiefer graben.
Schwierig. Was ich NICHT kann fällt mir sofort ein. Zum Beispiel locker an einem Zoom Meeting teilnehmen. Nein, da braucht es Unverständnis & leichte Panik. Und wildes aufs Handy einhacken. Panisch auf Knöpfe drücken kann ich übrigens super gut!
Ist es nicht verwunderlich, dass man ein bisschen Schwierigkeiten hat, seine eigenen Stärken zu nennen? Selbst wenn man sich dessen bewusst ist, was man definitiv gut kann, ist es voll schwer, das Kind beim Namen zu nennen!
Weil man von klein auf beigebracht bekommen hat, dass Eigenlob stinkt. Und dass man bescheiden sein soll. Angeber mag keiner. Ich will auch kein Angeber sein, aber ich will hier auch was schreiben!
Verzwickt!
Gänzlich selbstschokoliert behaupte ich jetzt mal spontan, dass ich finde, ein guter Zuhörer zu sein. Ein Mitfühler. Ein Sich-Rein-Denker. Und ein Ruhigbleiber! Das ist ganz wichtig, ruhig zu bleiben. Ich hab genug Negativbeispiele um mich herum, dieses Gemotze geht mir sehr auf die Nerven. Also will ich es anders machen. Trotzdem kann ich mich nicht hinstellen und laut in die Welt hinaus rufen, dass ich ein empathischer Mensch bin. Da fühl ich mich komisch, sowas tut man nicht. Aber wir sind ja hier unter uns.
Der Bub hat mir mal gesagt, er fände, ich sei ein guter Tröster. Wenn die Kinder Sorgen haben, die sie erdrücken, versuche ich die richtigen Worte zu finden – was mir manchmal sogar gelingt. Und die Kinder haben schon ganzschön was mitgemacht, vor allem Tochter. Grade aktuell wieder ganz arg, sie tut mir so leid! Oft bin ich erfüllt und ergriffen vor lauter Mitgefühl, finde aber trotzdem nicht dir richtigen Worte zum Aufmuntern. Dann hör ich wenigstens zu und versuche, eine starke Schulter zu sein. Oder ein Fels in der Brandung. Ein kleiner. Ein Kiesel. Aber immerhin!
So mach ich das auch bei den Patienten. Heute, im ärgsten Stress, erzählt mir ein Opa ü90 vom Schlaganfall seiner Frau und dabei kullern die Tränen. Sowas berührt mich unheimlich und dann pfeif ich auf die ungeduldigen Leute vor der Tür und hör dem Opa zu! Schließlich hab ich einen sozialen Beruf, also liegt in dem Moment die Betonung auf "sozial". Das muss sein!
Anders bei den fiesen Patienten, die ja leider auch zu mir kommen. Leute, die nach 10 Minuten Wartezeit ungeduldig vor der Labor Tür stehend mit den Hufen scharren und laut schnauben. Wenn ich sie dann auf meinem Marterstuhl sitzen hab und ein lautes Gezeter über mich ergehen lassen muss, spule ich im Gedanken meinen Lieblingssong ab und lächle.
Bei Beleidigungen gibt es dann das große Pflaster – das ziept beim Abreißen viel mehr! Har har har, mein ist die Rache! Ärgere nicht die Frau mir der Nadel in der Hand!
Aber eins muss ich noch erwähnen, sonst kann ich nicht ruhig schlafen.
Ich kann ein Lied hören und augenblicklich in eine Erinnerung abtauchen.
Ich kann etwas riechen oder schmecken und mit geschlossenen Augen diesen Genuss für mich greifbar machen. Und ich kann in Klang- oder Genusswelten abtauchen und dabei den Augenblick zaubern lassen! Ganz kurz, aber sehr intensiv! Und wenn's brenzlig wird, kann ich mich in meinen geliebten Strandkorb hinein visualisieren. Dann fühle ich den Sand an den Füßen und höre die Wellen rauschen. Das kickt jeden aggressiven Patienten aus den Gedanken!
Kann ich!
Danke fürs Lesen! Ob es was geworden ist - man weiß es nicht. Aber es hat Spaß gemacht!
18. Blognacht, ahoi! Powered by annakoschinski.de
Zoom ist eigentlich praktisch aber wenn die Technik versagt das nervt auch mich der da eigentlich sehr geduldig ist aber mein Mittel ist fluchen und schimpfen dann klappt es manchmal ein schönes Wochenende wünsche ich
AntwortenLöschenOh, mit Schimpfen und Fluchen könnte ich es auch mal probieren! Prima!
LöschenLiebe Sabine,
AntwortenLöschenes war eine köstliche Blognacht :-)
Blutabnehmen ist eine Kunst, sage ich aus Patientensicht. Bei mir klappt das ganz gut, bei meinen Töchtern beiden nicht, scheinen sie von der Schwiegermutter zu haben, die braucht auch immer Expertinnen dafür. Jetzt hat ein Arzt neulich bei meiner Tochter gesagt, ihre Venen seien bereits vernarbt, oha, wohin soll das noch führen ...
Also sei stolz auf deine Fähigkeit und die glücklichen Patienten, vor allem, dass du auch gut mit den ängstlichen kannst.
Was du auch gut kannst: locker liebevoll schreiben, habe deinen Beitrag mit viel Freude gelesen.
Lasse dir ein wenig virtuelle Schokolade da
Stephanie
Hallo Stephanie,
AntwortenLöschenoweh, die arme Tochter! Aber vernarbte Venen sind nicht selten, das kann heilen. Bisschen Venencreme & Streicheleinheiten, dann bisschen in Ruhe lassen und alles ist wieder gut!
Danke für deine lieben Worte!! Ich freu mich immer total, wenn ich sowas lese Hach!
Ganz liebe Grüße, und danke für die feine Schoki!
Sabine
Hi Sabine,
AntwortenLöschengern habe ich deinen Beitrag gelesen. Gut kann ich mir vorstellen, wie es manchmal in deinem Beruf so zugeht. Ich bin immer sehr dankbar, dass ich hier bisher nur auf freundliche und liebevolle "Impferinnen und Blutabnehmerinnen" getroffen bin und freue mich für deine Patienten. Meckerer, weil man warten muss, hab ich noch nie erlebt. In Andalusien gehen die Uhren anders. Gerade gestern wollte ich eine Frau an der Kasse mit ihren beiden Zitronen vorlassen, was sie ablehnte, weil sie Zeit habe.
Wie gut, dass du den allerletzten Absatz nicht hast unter den Tisch fallen lassen. Ich finde, er sagt sehr viel Schönes über dich.
Hab einen guten Tag und vielleicht bis Freitag.
ramona
Liebe Stephanie, zuhören, trösten, mitfühlen, dafür darfst du dir täglich ein Eigenlob umstülpen! Ich habe großen Respekt für euch im Sozialen! Und am Ende beim Strandkorb hattest du mich erneut mit deinem SeelenKetscher eingefangen: ich habe so einen auch, nur in gelb-weiß gestreift. Der hilft. IMMER! Also immer den Kopf oben tragen und sich selbst bewußt sagen: wir sind richtig so, wie wir sind!
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Gabi Kremeskötter
Irgendwann bloggen wir wieder einmal zusammen:-)
www.gabi-kremeskoetter.de/blog/
Dankeschön für deine lieben Worte, liebe Ramona! Manchmal wünschte ich, die typisch deutsche und noch typischere fränkische Ungeduld würde ein bisschen in den Hintergrund treten.
AntwortenLöschenWas hilft? Ruhig bleiben, lächeln und winken! 😄