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Mittwoch, 24. Mai 2023

Offenherzig 5

Als ich mal wieder in den Tiefen des Mauslochs gewühlt hab ist mir aufgefallen, dass ich eigentlich eine Serie am Laufen hab, die sträflich vernachlässigt wurde. Das geht so nicht! Reumütig greife ich den Faden wieder auf und versuche, erneut ein bisschen Schwung in die Sache zu bringen.

Hier ist ein neuer Teil der Serie "Offenherzig", diesmal wirds ziemlich familiär


Soso, meine Eltern. Ich denke schon, dass ich einiges von meinen Eltern übernommen hab. Vieles, was mir beigebracht wurde und mir in Fleisch&Blut übergegangen ist und auch  etliche Verhaltensweisen, die ich einfach genauso bringe. Bewusst oder unbewusst - keine Ahnung!

Da wäre zum Beispiel mein Papa. Vati hieß er, schließlich kommen wir aus Niederbayern und Oberpfalz, da sagt man nicht Papa. 
Der Vati war ein "Urbayer". So wie man ihn sich vorstellt. Ein bisschen wuchtig, mit Bart und Bauch. Am liebsten mit einem Bierkrug in der Hand. Er ist 1930 geboren und hat sich sämtliche Werte und Weltanschauungen von damals bis zum Schluss bewahrt.  
Vati mochte das einfache, das ruhige und bequeme Leben. Stress und Hektik war ihm eigentlich fremd, außer wir sind alle mit dem Zug verreist. Da wurde er nervös, schließlich war er Bahnbeamter und somit auf Familienreisen verantwortlich für alles: Strecke, Abfahrt, Ankunft, Abteil, Reservierung, Waggoneinteilung und den Schaffner gleich mit dazu. 
Vati mochte die "neumodische" Musik nicht, war über die Videos in der Sendung Formel 1 entsetzt und wenn er schonmal dabei war, über die "heutige Jugend" gleich mit. 
Der Auftritt von Trio in der Hitparade mit ihrem unsäglichen DaDaDa  ließ den Vati fassungslos zurück. Ich fand das lustig damals, grade weil Vati so drüber geschimpft hat.
"Das hätt's früher nicht gegeben!"
Die Frau hat daheim zu bleiben, Essen gibts um 18 Uhr, da müssen alle zu Hause sein und Sonntags kommt Schweinebraten mit Knödel auf den Tisch. So will es das Gesetz! Und unseren Hund Terry, den hat er wirklich geliebt! Über Didi Hallervorden und Pat&Paterchon konnte er sich köstlich amüsieren, genauso gern schaute er den Komödienstadl, der irgendwie ständig in einem der drei TV-Programme zu laufen schien.
 
So. Was hab ich jetzt vom Vati?  Wenn ich irgendwo Blasmusik höre, denke ich sofort an ihn. Oder wenn ich eine Aufzeichnung vom Franz Josef Strauß sehe. 
Ich hoffe sehr, dass ich dann doch ein bisschen modernere und aufgeschlossenere Ansichten mein Eigen nenne und nicht ganz so konsequent in Schachteln denke. Obwohl ich mich immer wieder dabei ertappe, wie ich irgendwelchen Leuten kopfschüttelnd nachschaue.
Wenn sich jemand schlimm danebenbenimmt oder Teenies laut krakeelend ihren Abfall auf die Straße werfen. Oder wenn keinerlei Respekt vor Älteren vorhanden ist.
Vielleicht werde ich ein bisschen spießig auf meine alten Tage?
Und außerdem fühle ich mich irgendwie bissle hingezogen zu bayrischen Traditionen, den Biergarten im Hofbräuhaus in München fand ich toll und den bayrischen Dialekt mag ich sowieso. Bin ich ja damit aufgewachsen! Host mi?! So schade, dass das meinen Kindern völlig fremd ist. Mein Sohn schaut mich an, als wär ich bekloppt, wenn ich "a Haferl Muich mecht"
 
Meine Mama. Sie hieß natürlich auch nicht Mama sondern Mutti. Das mit Mama kam erst mit den eigenen Kindern. Meine Mutti ist die liebste und klügste Person, die ich kenne. Wie oft schon stand ich ratlos vor einer Frage und komm nicht weiter. Wer hat die Moldau komponiert? Wie heißt diese weiße Blume? Wie macht man Semmelknödel? Wer war eigentlich 1970 unser Bundeskanzler? Frag die Mutti! Die weiß sowas. Beneidenswert! 
Meine mom hat eine sehr familiäre Ader. Sie kümmert sich um die Familienmitglieder, manchmal sogar schon aufopferungsvoll. Leider auch oft ohne Dank. Sie macht es trotzdem. Die Familie muss zusammenhalten! Und alles was sie tut, macht sie irgendwie im Hintergrund. Sie hängt nichts an die große Glocke und will auch keine Loorbeeren ernten, sie möchte einfach, dass es allen gut geht. Und dafür macht sie einiges! 
Für einen Schwager ist sie mit dem Zug bis nach Ulm gefahren, um nach dem rechten zu sehen, die Betten zu beziehen, den Kühlschrank zu kontrollieren. Weil der Schwager das allein nicht mehr schafft. Mutti machte das regelmäßig. Und nicht nur nach Ulm, auch nach Thüringen war sie unterwegs, immer und immer wieder.
Das ist bemerkenswert und beeindruckend. So krieg ich das zwar bei weitem nicht hin, aber ein bisschen hat dieses Familien-Gen auch bei mir was bewegt.
Ich möchte auch, dass es allen gut geht und versuche immer wieder zu arrangieren, dass wir uns treffen, miteinander reden und Zeit verbringen. 
Mutti ist fleißig, kreativ und ziemlich konsequent. Auch bei schlimmer Unlust, den Haushalt zu schmeißen, tut sie es trotzdem. Weil es einfach sein muss. Mittwoch wird gebügelt, Freitag wird gewischt, Samstag ist Waschtag. Basta! Das wiederum hab ich so noch nicht hingekriegt, da muss ich noch gewaltig dran arbeiten. Ich putze nur, wenn es mir grade passt. Schluderig halt.
Außerdem hat meine mom ein Talent, sich tapfer in unbequemen Situationen zurecht zu finden. Sie wusste, was nicht zu ändern ist und hat versucht, die Dinge zu nehmen wie sie sind. Dazu gehörte auch, ständig irgendwas aus dem Hut zu zaubern, (Geschenke, Klamotten, Essen) obwohl weder Geld noch Unterstützung da war.
Irgendwer sollte meiner Mutti mal einen Oscar überreichen.
Und ich?
Ich unternehme zaghafte Versuche, es ihr gleich zu tun. Zu aktzeptieren, was nicht zu ändern ist. Ruhig zu bleiben. Bedingungslos lieb zu haben. Und mich selbst nicht so wichtig zu nehmen.

Ich hab ein gutes Vorbild.






 

2 Kommentare:

  1. Was für ein schöner Text! So bildlich geschrieben! Den Papi hätte ich gerne mal getroffen! Und toll wie Musik einen erinnern lässt. Mir geht es so, wenn ich Klänge aus Griechenland höre. Und deine Worte treffen es auf den Punkt: Wir müssen nicht alles so machen wie unsere Eltern, aber einige ihrer Werte dürfen wir schon übernehmen. Ach ja und Franz Josef Strauß, der war eine Legende und ein Politiker wie es sie von der Sorte heute kaum noch gibt!

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    1. Absolut! Und Musik katapultiert mich immer wieder in Situationen, die ich schon längst vergessen geglaubt hab.

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