Mir ist bewusst, dass ich ein hoffnungslos nostalgischer Mensch bin. Ich mag ja alles, was irgendwie in irgendeiner Form historisch ist. Genauso häng ich oft gedanklich in der Vergangenheit rum und wünschte, ich hätte es live miterlebt. Oder könnte es nochmal erleben! Tagträume über Zeitreisen inclusive.
Oft reicht ein kleiner Anstoß, ein Wort, ein Lied oder ein Ort um mich in Retroschwingungen zu versetzen.
Genauso ist mir bewusst, die Vergangenheit meist mit einem rosarot-verklärtem Blick zu sehen. Aber das, und ich zucke gerade mit den Schultern, ist mir herzlich egal. Ja ich bin froh, mit all dem Kompfort zu leben, den ich heute um mich habe. Keine Frage. Aber schöner wars damals schon!
Tag des Erfolges
Der Bub und ich sind heute los, Tanzschuhe zu kaufen. Eigentlich nur mal anprobieren, um ein Gefühl für die Dinger zu kriegen. Herrentanzschuhe für lateinamerikanischen Tanz schauen nämlich seltsam aus.
Es gibt sehr wenig Läden in der Stadt, die solche Tanzschuhe in live anbieten und sowas zu bestellen ist unsinnig. Da passt einer nicht und dann schickst du den ganzen Monat Schuhe hin und her. Nee, dann lieber erstmal anprobieren und gucken, wie sich das so anfühlt.
Der Laden (einer von drei) heisst Success, Adresse in der Innenstadt.
Aussergewöhnlicher Umstand Nr.1: Wir finden in der selben Straße einen Parkplatz - mitten in der City, fast direkt vor dem Haus mit der Nr 8.
Von außen nichts zu sehen von einem Success Laden. Nur eine Tanzschule.
Schlau, wie wir sind, vermuten wir den Schuhverkauf mit dieser Tanzschule gekoppelt und fahren mit dem Aufzug hoch. Eine super freundliche Dame öffnet uns die Tür und präsentiert uns ein Eckchen, das für den Vertrieb der Tanzschuhe reserviert wurde.
Wir waren ganz allein zu dritt. Die Schuhe für den Bub, genau 3 Paar an der Zahl, waren viel hübscher anzusehen, also die Internetversion. Er probiert, tanzt ein bisschen auf dem Parkett herum und entscheidet sich tatsächlich für ein Paar. Was für ein Glück! Schuhekaufen ist mit dem Sohn nämlich eine Mammutaufgabe!
Aussergewöhnlicher Umstand Nr.2: Gleich fündig geworden!
Die nette Dame von der Tanzschule bestätigt mir meine Vermutung, dass für Standardt-Tänze nur noch eine Anmeldung als Pärchen möglich ist. Außer natürlich HipHop oder sowas. Das Anhäufen von einzelnen, kichernden Teenagern ist Vergangenheit. Hach ja.
Danach werfen wir glücklich die Schachtel mit dem teuren Inhalt ins Auto und laufen zu einem Cafe in der Ludwigstraße. Es heißt Bruderherz und ist relativ neu. Also für uns jedenfalls, wir kommen nicht allzu oft in diese Gegend.
Außerdem war diese Straße früher mal die "böse Straße". In den 70/80ern gab es da nicht nur das Xanadu und das Shamrock, sondern auch ganz viele Sexshops mit dazugehörigen Billighotelabsteigen. Es drückten sich schräge Gestalten da rum, der Ruf war denkbar schlecht und als Jugendliche hat mir das Angst eingeflößt.
Ich weiß, in den 50ern war die Ludwigstraße und auch die Königstraße eine einzige Vergnügungsmeile! Mit Bars, Lu-Li-Kino, Theater und Tanzcafes.
Später wurde das Vergnügen immer verruchter. Aus dem Theater wurde ein Burger King, aus dem Xanadu eine Tanzkneipe für bestimmte Personen, und wie gesagt, alles voller Sexshops.
Mittlerweile hat sich die Luitpoldstraße einen besseren Ruf erkämpft! Nicht nur das Neue Museum ist da, auch das Herrmann's vom Alexander, das siffige Burger King wurde ein modern-stylisches Burgerheart, es gibt ein Literaturcafe, Restaurants, Clubs und eben das Bruderherz.
ein altes Revier von mir, das Shamrock
heute natürlich nicht mehr existent
Wir finden einen freien Tisch und bestellen bei einem sehr entspannten und freundlichen Angestellten Cappuchino, Wurstsalat und einen Liter Wasser.
Das Wasser wurde in einer Karaffe gebracht, das mag ich ja sehr! Der Cappuchino war fein und die Kartoffeln für den Bub, also allein der Duft! Hmmmmmm! Ich hab eine halbe Kartoffel stibitzt und wirklich, wirklich genossen !!! So fein!
Wir sitzen total gemütlich an Holztischen, es ist nicht zu warm, ein leichter Wind geht.
Aussergewöhnlicher Umstand Nr.3: Alles passt!
Eine Viertelstunde haben wir überzogen, das Parkticket ist längst abgelaufen. So schnell es mir möglich ist und so schnell wir halt wollten gings zurück zum Auto. Hoffentlich kein Strafzettel! Aber nein, nichts zu sehen!
Aussergewöhnlicher Umstand Nr. 4: Keine Polizeikontrolle, kein Knöllchen, nix!
Auf dem Heimweg erklärt mir der Bub diverse Umstände beim Erlernen verschiedener Sprachen allgemein und im Japanischen speziell. Ist interessant, aber nicht zu merken. Jedenfalls nicht für mich. Er studiert es und sollte es wissen!
Zuhause entdecken wir ein Paket von bonprix im Garten. Im Garten unter dem Sitz. Wie auch immer das dahin gekommen ist! Aber es ist da und wir freuen uns - Klamotten für den Bub! Hosen fürs Tanztraining, eine kurze Jeans und ein kariertes Hemd.
Aussergewöhnlicher Umstand Nr. 5: Die Sachen passen UND gefallen! Klasse!!
Das war ein guter Tag!
So mag ich das!
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unsere Beute
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