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Mittwoch, 30. September 2020

Alte Schule altes Haus, ich danke dir

Ab jetzt sitz ich auf Kohlen! Ich komme grade zurück aus der Praxis, wo der 2. Abstrich genommen wurde. Da sehe ich meine Kollegen rotieren, mit hängender Zunge, und ich bin völlig weg vom Schuss. Hab zu Hause grade mal bisschen aufgeräumt und gesaugt. Und ein Nickerchen gemacht. Ich sollte mich schämen! Wenn das Ergebnis morgen schon kommt und wie erwartet negativ ist, bin ich sofort auf dem Weg zur Arbeit! Man hat ganz schlimm das Gefühl zu schwänzen, weil man ja keinerlei Symptome hat. Außerdem möchte ich morgen bitte den Bub umarmen, der wird nämlich 19 Jahre alt! Ein "Kindergeburtstag" ohne Mamaknutscher - wo gibt's denn sowas??

Gestern hab ich einen Bericht über den Neubau der Maria Ward Schule gelesen. Ich bin ja innerlich etwas zerrissen, weil ich meine alte Schule sehr gemocht hab. Jetzt ist sie abgerissen. Ausgelöscht. Alle Erinnerungen weggebaggert. Jaa ich freue mich für all die Mädels, die die neue tolle Schule gebaut kriegen. Soll ja super nachhaltig und modern werden. Die modernste Schule Bayerns, heißt es.

Schau: Neue Maria Ward Schlule

Aber nostalgisch wie ich bin, hängen meine Gedanken an den alten Räumen. Fing schon beim Schulweg an. Wenn man zum Haupteingang ging, musste man am Klosterbau vorbei, der damals mit Efeu überwachsen war. Frühmorgens haben da unzählige Vögel drin gezwitschert und das war schön! Da hab ich sogar den walkman ausgemacht. Kurz vor der Tür stand eine Marienstatue, die ich immer begrüßt hab. Im Eingang wurde man von Sr. Benigna begrüßt, indem sie mit Argusaugen aufgepasst hat, dass nur die reingehen, die rein dürfen! Wehe, ein Junge hat sich hierher verirrt, um seine Freundin direkt vom Klassenzimmer abzuholen - Sr. Benigna war ihm auf den Fersen und hat jeden männlichen Eindringling kurzerhand rausgeschmissen! Keine Chance. Und es haben etliche versucht!

die weiße Wand war mit Efeu bewachsen

der Klosterbau

der Weg zum Haupteingang


die Pforte. Da saß die Schwester und hat aufgepasst

Hinter dem Pförtnerhäuschen gings zum Klosterbau. Wenn man da gleich die Treppe runter ging, stand man im Mauseloch - einem versteckten Ort für Mädchen, die laut schreien oder sich ausheulen wollten, eine Auszeit brauchten oder ein Gespräch mit Sr. Irmtraud. Da war ein Sofa, ein altes Klavier und alles mögliche Gerümpel. Einmal haben meine Freundin und ich uns durch die Verbindungstür in den Klostertrakt geschlichen und sind fast erwischt worden. Als wir Stimmen hörten, flüchteten wir in die nächste Tür, das war ein Abstellraum voller aufregend interessanter Sachen. Wir duckten uns unter irgendwelche Tische und haben uns nicht getraut zu atmen, ich wär beinah erstickt, aber starr vor Angst als das Licht anging und zwei Klosterschwestern reinkamen. Nach ein paar Minuten gingen sie wieder und wir wagten uns aus unserem Versteck. Mit viel hihihihi. Abenteuer für zwei 11jährige! 


Weiter zum Schulweg. Über große, blanke Fliesen ging ich die Treppe runter. Links nach oben war der Gymnasialbau, rechts nach unten gings zur Realschule. Ein langer Gang führte an den Sekretariaten vorbei, damals gab es die Aula noch nicht, dafür eine Glaswand, hinter der der Klostergarten angelegt war. Quadratische Beete mit lehrreichen Pflanzen. Rechts durch die Glastür gins zu den Klassenräumen, im EG die Grundschule, drüber die Realschule. Es gab alte Tafeln mit einem Schwamm, älter als der Böhmerwald. Besser als jede Impfung. Die Tische standen konservativ in drei Reihen hintereinander, dazu Holzstühle. 

Die 5. und 6. Klasse verbrachte ich in hinteren Bau im Ergeschoss, das später das Büro der Realschulleiter wurde. Das Klassenzimmer war cool, weil komplett im Schatten und mit Blick auf die Innenhofwiese und Bäume. Einmal ging dort hoher Besuch vorbei - eine Schwester Oberin aus der Erzdiöz ..Diezi ... aus Bamberg, gefolgt von einer Schar aufgeregter Mitschwestern. Unsere Lehrerin Sr. Theodora war ganz hibbelig und weil Frühling war öffnete sie das große Fenster uns ließ uns ein Ständchen singen. "Ich ging durch einen grasgrünen Wald" - dreistimmig. Die Schwestern blieben stehen, hörten zu und freuten sich sehr. Das wiederum hat Sr. Theodora sehr gefreut und Mathe war dann garnicht mehr so schlimm.

wer's hören will

Dieses Klassenzimmer war auch aus einem anderen Grund cool. Gegenüber führte eine Tür nach draußen und gleich rechts an der Wand hing ein Thermometer. Ab 27 Grad gabs Hitzefrei, also musste gegen 11 Uhr ständig jemand von uns aufs Klo, um rauszuschleichen und das Thermometer mit nem Feuerzeug etwas anzuregen. Wir wussten, dass Sr. Weißichnichtmehr dann draufschaut und sie hatte die Macht. Wenn es dann kurz nach 11 klopfte, brach spontaner Jubel aus und Sr. Habichvergessen stand lachend in der Tür "Um 11:15 Hitzerfrei!" 

Bis man 12 war, durfte man in die Tagesbetreuung. Dann gab es ein Mittagessen im Speisesaal. Dieser Saal lag unter der Eingangspforte im Keller und wurde seit der Erbauung in den 60ern nicht mehr verändert. Da standen noch original 5-Freunde und Pucki-Bücher im Regal, Plastikpuppen mit gehäkelten Kleidern und Brettspiele, die nur noch an einem Hauch Karton zusammenhielten. Wir saßen an 6er Tischen und wenn du was trinken wolltest, musstest du den Becher hochhalten. Eine Schwester eilte dann mit der großen Zinnkanne herbei und schenkte einen undefinierbaren, leckeren kalten Tee aus.  Die hielten wir in Bewegung, die arme! Aber anschließend halfen wir ihr, die Schnecken aus den Klöstergarten-Beeten zu sammeln.

In dieser Schule hab ich Nähen gelernt, Stricken, Steno, Charleston tanzen, Schreibmaschine und wie man mit einem zerstreuten Physiklehrer umgeht, der ununterbrochen plappert, uns zwingt von der Tafel abzuschreiben und gleichzeitig mündliche Noten vergibt. Wehe dem Mädchen, das eine Frage hat. "Herr Prelitsch?""Herr Preeelitssssch!!!" "HERR PREEEEEELITSCH !!!"  ...   "KARL!"  - "Ja?" 

Es war die einzige Schule, an der man Verweise kassieren konnte wegen Tragens zu kurzer Röcke. Es gab auch ab und zu eine Durchsage, dass man doch bitte die Schule nicht mit einem Badestrand verwechseln soll. Der gute Herr Schuster! Meine Freundin war ungeschlagene Meisterin im Verweise sammeln! Wir bewunderten sie alle. Und wenn wir regelmäßig in die hauseigene Kapelle gingen und /oder zur Beichte, legte uns Sr. Theodora ein Strickjäckchen um die Schulter, wenn sie der Meinung war, das Hemdchen war nicht züchtig genug. Ansonsten war Sr. Theodora ganz ok, mit ihrem Kleid konnte sie beim Völkerball prima den Ball einfangen! Und einmal durften wir ihre Frisur sehen, als Tanja ihr beim Rausrennen aus Versehen den Schleier vom Kopf gerissen hat. Sie lachte. 

Ich vermisse sie. Und die ganzen Geschichten, es gibt noch so viel mehr! Und die Schule. Sie war alt, aber voller Charme und Seele. Dass muss der Neubau erstmal schaffen!

ein Klassenzimmer kurz vor dem Abriss

Mosaik von Mary Ward im Gymnasialbau

der Blick auf den Pausehof

die obere Turnhalle

die untere Turnhalle

ganz links die Realschule

das coole Klassenzimmer - Thermometer hinter dem Gebüsch an der Wand


der Gymnasialbau vom Pausehof aus

Treppe zu den Turnhallen

Turnhallen nach oben oder unten *zwinker

Seiteneingang, links zur Realschule



viel Glück ... 









1 Kommentar:

  1. Liebe Sabine, danke für deinen schönen Blog. Magst Du am 22.10. zum Tag der offenen Türe an deine neue alte Schule kommen ? Ich würde deinen Beitrag gerne ausdrucken und in der Schule aushängen, wenn ich deine Erlaubnis bekommen könnte. In welche Klasse bist Du an der MWS gewesen. Ich bin Lehrer dort an der Reslschule. Gruß Armin Roucka

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