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Sonntag, 31. Mai 2020

Brüllmaus

Man kann es nicht mehr hören, da sind wir uns alle einig - Corona ! Huuu! Ich denke, den ersten Platz für das Unwort des Jahres 2020 hat sich diese Rüsselseuche schon gesichert. Obwohl "Homeoffice" ziemlich nah dran ist. Mein persönlicher Favorit ist aber "gemeinsam". Ich könnt spontan heulschreien, wenn ich das Wort "gemeinsam" noch oft hören muss! Wir schaffen das - gemeinsam! Wir packen an - gemeinsam! Wir kacken ab - gemeinsam! Und zwar grüppchenweise. Die gut Beschützten, die zu Hause bleiben dürfen und fast keinen Kontakt zur Außenwelt haben müssen, bleiben gemeinsam gesund. Die Deppen, die statt Maske lieber ihren Aluhut aufsetzen und laut brüllend auf Deppendemos ihr Erbgut verprühen, stürzen sich gemeinsam dem Virus in die Arme. Und die armen, systemrelevanten Schweine, die unter echt beschissenen Bedingungen arbeiten müssen, gründen gemeinsam den Looserclub. Gesundheitsbranchen-Lemminge e.V.
Da bin ich auch Mitglied, Gründungsmitglied sogar! Und als solches laufe ich staunend durch die Gegend.
Wir waren im Einkaufszentrum, der Bub, die Oma und ich. Seit langer Zeit mal wieder und da hab ich ganzschön geschaut - an den Geschäften gibts einen Einlass-Stopp! Nicht mehr als 3 Personen gleichzeitig im Pimkie, alle anderen müssen draußen bleiben und sich anstellen. Auch bei der Post und im Fielmann - überall! Die Sitzbänke, auf die ich mich sonst mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung stürze, sind wegmontiert worden, selbst bei Deichmann gibt es nur noch Einzelhocker für den mutigen Schuhanprobierer.
Wenn du humpelst, weil du ein Holzbein hast oder sonst ein Aua, hast du schlechte Karten.
Aber im Cafe, das seine Tische mitten auf dem Gang verteilt aufgestellt hat, darfst du die Maske abnehmen und ein bisschen atmen. Das ist zwar sehr erfreulich, aber alle schauen sich verstohlen um, ob das auch wirklich klar geht.
Überall wird drauf geachtet, dass man nicht zu dicht aufeinander aufrückt - gemeinsam.
Und jetzt kommt die große Lupe auf der Landkarte: Überall - außer in EINER Arztpraxis im Süden der Stadt, wo sich Patienten die Türklinke in die Hand geben und in einer einzigen Masse im Raum umeinanderwabern! (so ein cooles Wort!!)
Warum gibt es bei uns keinen Einlass-Stopp? Bei uns darf jeder rein, der rein will - Hauptsache der Babbmlabbm ist an. Abstand ist auch nicht wirklich, wenn ich bedenke, wie nah ich den Leuten komme beim Blutabnehmen, Blutdruckmessen, EKG schreiben oder beim Rachenabstrich! Natürlich lässt sich das nicht anders regeln, es sei denn, es werden 1,5 m lange Nadeln erfunden!
(haha)
Ich krieg keine Abfindung, ich krieg nicht mal Applaus, weil die Praxis kein Krankenhaus ist. Ich krieg nur Schimpfe, wenn ich nicht schnell genug das Blut aus den Leuten sauge. Von den Leuten!
Um es mit den Worten von Rose DeWitt-Bukater auszudrücken: "Das ist absurd!"
Den ganzen Tag sitz ich den Patienten quasi auf dem Schoß, aber an Feierabend muss ich überall Abstand halten. Das ist wie anschnallen im Auto und gleichzeitig beim Fahren sms tippen oder Sonnencreme LSF 50 auftragen und gleichzeitig 2 Schachten Kippen wegqualmen.
Jetzt hat sich der Geschäftsführer unserer Praxis aber gedacht, er lässt uns nicht länger im Dunkeln, wir bekommen jetzt eine Hygieneschulung. Jetzt. Anfang Juni. Nee is klar, wir sind alle sehr gespannt!
Vielleicht kann ich mir dann anschließend endlich korrekt die Hände waschen!
Aber Hauptsache wir halten zusammen, denn wir schaffen das!
Gemeinsam

WAAAAAAAAAAAAAAAAAHHHHH

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