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Freitag, 19. Februar 2016

FEIERABEND

Es gibt eine Zeit in der Woche, die ich nicht nur nicht mag, sondern manchmal auch fürchte.
Der unbeschreibliche Donnerstag Nachmittag. In Langwasser Nord.
Auf der Treppe hab ich schon die Kollegen rufen gehört "Die Sabine kommt!" Schön. Ich komm ins Labor und da saß schon einer. Ein 80jähriger, in sich zusammen gesunken, im Unterhemd.
Ich will ihm die Impfung geben, da fängt er an zu weinen. Weil seine Frau vor kurzem gestorben ist und er es einfach nicht fassen kann. Über 50 Jahre verheiratet und nie ernsthaft gestritten. Er schaut mich an und sagt, dass seine Frau ein Geschenk Gottes an ihn war..
Ich war so gerührt! Was sagt man da? Keine Ahnung. Ich hab seine Hand gedrückt.
So lange zusammen und vor allem - so lange glücklich zusammen!
Beneidenswert.
Ein paar Leute kamen noch zu mir, aber nicht übermäßig viele. Trotzdem war super viel Arbeit.
Frau Dr. Y kommt ins Labor geschossen und wühlt in allen Schränken. Sie sucht ihre Schachtel, sagt sie. (schwierig zu verstehen, es war ein deutsch/russisch Gemisch - genuschelt) Was steht denn drauf? Hydrochloridnatriumdioxyd 8,04%. Und wann haben Sie die zuletzt gesehen? Vor 4 Monaten. (???) Und jetzt sofort auf der Stelle braucht sie die. Ärzte können so spontan sein. Ich durchwühle all meine Schränke und Schubladen. Und konnte Frau Dr. Y tatsächlich glücklich machen. Mit ihrer Schachtel.
Dann kam Frau Dr. Z, voller Hektik und ein bisschen Panik im Blick. Sie hätte da eine Patientin im Sprechzimmer, die ihren HIV Wert wissen will, aber schnell! Der steht aber nicht drin in der Kartei. Weil er garnicht da ist. (Jetzt sieht Frau Dr. Z ein bisschen ängstlich aus) dabei war die Blutabnahme schon am 04.02. Ich rufe im Labor an und man verspricht mir, den Wert zu faxen.
Ich warte. Und Warte. Frau Dr. Z kommt wieder um mir zu sagen, dass die Patientin das Ergebnis unbedingt und ganz dringend braucht! Die muss in 10 Min weg und fliegt dann ins Ausland. Irre wichtig. Ich sehe, das Fax kommt. Ungesehen schieb ich es in die Kartei und sag Frau Dr Z Bescheid. Fax ist da! Hurra!
Dann kommt sie wieder zu mir, macht einen verzweifelten Eindruck. Auf dem Fax steht, dass das Ergebnis -folgt-
Ich rufe nochmal im Labor an. Die Dame sagt, da in ihrem Pc steht aber "Wert ist negativ". Sie will es nochmal faxen. Ich warte.
Fax kommt. Ich öffne es - Ergebnis -folgt-
Ich rufe wieder an. Sie will nachforschen und schickt mich in die Warteschleife. Frau Dr. Z scheint den Tränen nahe. Ich glaub, die eilige Auslandspatientin ist nicht besonders einfühlsam und verständig. Die Labordame sagt mir, dass HIV Ergebnisse seit 2016 nicht mehr gefaxt werden dürfen, aus Datenschutzgründen. Wusste sie nicht. Ich auch nicht. Frau Dr. Z resignierte.
Jetzt wird das Ergebnis neu in den Pc übertragen und morgen kommt das Original Dokument.
Knapp verpasst!
Ich sortiere weiter meine Marcumar Pässe und mach alles fertig. Viertel nach sechs, ich fahr die Computer runter, schalte alles aus und will gehen, da klingelt das Telefon. Dr. V - sind Sie noch da? Nein, ich bin schon weg. Ich hätte da noch eine Blutentnahme! Seufz.
Dann fahr ich den Pc halt wieder hoch und warte auf das, was da kommt. Ein nicht grüßender, kleiner alter Mann. Setzt sich hin, rollt den Ärmel hoch und zeigt mir einen blauen Fleck. Ich soll da ja nicht reinstechen. Also stech ich in den anderen Arm und das kleine Männchen fängt an zu schreien!
AAAAAUA AUA AAAAAAAAAAAAAAAA !!  Ich schau ihn mit halb geschlossenen Augen an - echt jetzt? Die Nadel ist 3 mm in der Vene und es fühlte sich so weich an, dass es flutscht. Alter, ich weiß wann es weh tut beim Patienten, und dem kann das nicht weh getan haben.
AAAAAAAAAAAAAAAAAAAUUUUUUUUUUUUUUU !
DAS HALT ICH NICHT AUS DAS HALT ICH NICHT AUS ...
Doch das halten Sie schon aus.
JA WIE DENN ???
Stellen Sie sich vor, sie wären eine Frau. Dann gehts.
(...)
Sowas sag ich sonst nicht, das ist viel zu frech. Aber ich war schon ne halbe Stunde drüber und der Typ hat mich so genervt! Ich fands super, dass er dann still war.
höhöhö!

Und schön Überstunden eintragen. Dr. P, der das mitbekommen hat, hat mir anerkennend zum Feierabend ein Bonbon geschenkt!



P.S. ein Nachtrag. Heute Vormittag war ein junger Mann bei mir zum impfen. Wir hatten voll viel Spaß, Patient war richtig lustig und gut drauf! Der wollte eine Pilgerreise irgendwohin machen, weiß nicht mehr, irgendwo im Orient. Dafür braucht er eine Meningokokken Impfung. Nachher meint er, er bräuchte eine Bestätigung, dass er diese Impfung erhalten hat. Ich sag, der Impfpass wäre ein gültiges Dokument. Er lehnt ab. Ich schlage vor. den Impfverlauf auszudrucken. Da meint er:
"Bitte lieber einen Einzeiler schreiben, mit einfachen, klaren, kurzen Worten. Schließlich müssen das Türken und Araber lesen und verstehen können!"
Ick fand den jut!





1 Kommentar:

  1. Kch kch kch, ein Bonbon! Wer braucht da noch Freizeitausgleich?
    Über Nord könntest du ein interessantes Buch schreiben (und der Chef kriegt eins mit Widmung)

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